Konzern

Hass im Netz: Die Macht der Sprache 

Sprache ist ein mächtiges Werkzeug. Sie kann verbinden oder spalten, Verständnis fördern oder Vorurteile verstärken. Der Ton im Netz wird rauer. Was steckt dahinter? Wie funktioniert die Macht der Sprache? Und was können wir alle tun, um das Internet zu einem Ort der Vielfalt und Toleranz zu machen?

Aggressive Sprache im Netz: Wie kommt es dazu?

Fast 90 Prozent der Internetnutzenden finden, dass Hass im Netz zunimmt. Das ist ein Ergebnis der repräsentativen Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“. Der wachsende Hass geht auch einher mit einer zunehmenden Aggressivität in der Sprache. Warum ist das so? Hinter dem Bildschirm fühlen sich Menschen oft mutiger. Sie schreiben Dinge, die sie von Angesicht zu Angesicht wahrscheinlich nie sagen würden. Zusätzlich senkt die Anonymität die Hemmschwelle. 

Das Bild zeigt 3 Personen, die sich leere Sprech- und Gedankenblasen vor das Gesicht halten.

Sprache im Netz: Brücken statt Barrieren. © Deutsche Telekom AG, GCR

Ein weiterer Faktor ist die Geschwindigkeit, mit der sich Informationen verbreiten. In den sozialen Medien werden Nachrichten und Meinungen in Sekundenschnelle geteilt, ohne dass ausreichend Zeit bleibt, über die Konsequenzen nachzudenken. Dieser Drang nach Schnelligkeit führt oft dazu, dass Menschen impulsiv handeln und die Wirkung ihrer Worte auf Andere nicht ausreichend berücksichtigen. 

Die Folgen von aggressiver Sprache im Netz bleiben den Verbreitenden meist verborgen, denn sie sehen die Reaktionen ihres Gegenübers nicht. Direkt Betroffene nennen sozialen Rückzug und psychische Beschwerden als Folge. Die Flucht aus dem Internet reicht oft allein nicht mehr aus, um den Auswirkungen zu entkommen. Auch Internetnutzende, die nicht direkt von Hass betroffen sind, werden beeinflusst: Sie ziehen sich aus Diskursen zurück, äußern seltener ihre politische Meinung oder sind bei ihren Formulierungen bewusst vorsichtiger, um möglichem Hass zu entgehen. 

Die Rolle der Algorithmen: Verstärker von Extremen

Algorithmen spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung aggressiver Sprache. Plattformen wie Facebook, X (Twitter), TikTok oder YouTube verwenden komplexe Algorithmen, um Inhalte anzuzeigen. Sie sollen Interesse wecken und uns möglichst lange auf der Plattform halten. Die Algorithmen tendieren dazu, kontroverse und emotionale Inhalte zu bevorzugen, da diese häufiger geliked, geteilt oder kommentiert werden. Dies führt dazu, dass extreme Meinungen und polarisierende Inhalte öfter angezeigt werden, was wiederum zu verstärkter Aggression und der Verbreitung von Hass führen kann.

Framing und Stereotype: Wie Sprache unsere Wahrnehmung formt

Dabei sind Hass oder Rassismus nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Sprache kann Diskurse auch gezielt befeuern. Indem man subtil Bilder erzeugt und Assoziationen weckt. Das nennt man Framing. Es beschreibt die Praxis, durch gezielte Wortwahl und Kontextualisierung eine bestimmte Interpretation oder Bewertung von Informationen zu fördern, um die Wahrnehmung und Reaktion des Publikums bewusst zu steuern. Ein Beispiel ist das Wort 'Flüchtlingswelle'. Es suggeriert Bilder einer unaufhaltsamen und überwältigenden Masse und wird seit 2016 häufig gezielt eingesetzt, um Angst und Abwehr zu schüren. 

Framing bedient sich meist verbreiteter Stereotype - und verstärkt diese. Stereotype sind übergeneralisierte und vereinfachte Vorstellungen über eine Gruppe von Menschen, die auf Vorurteilen und kulturellen Annahmen beruhen. Sie sind oft irreführend und ungerecht, da sie individuelle Unterschiede innerhalb einer Gruppe nicht berücksichtigen. 

Framing und Stereotypisierung sind Mechanismen, die häufig im Kontext von Populismus eine Rolle spielen, um zum Beispiel vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme zu bieten. Aber: Sprachbedeutungen können sich durch Re-Framing, also das Umdeuten von Informationen, auch wieder ändern. Das geschieht, indem Begriffe in neue Kontexte gestellt werden, wie das Medien-Start-up für muslimische Frauenstimmen zeigt: Es nennt sich selbst 'Kopftuchmädchen' und deutet damit das Schimpfwort zu einer starken Selbstbezeichnung um.

Ein positiver Umgang mit Sprache: Brücken statt Barrieren

Trotz der Herausforderungen, die Sprache im Internet mit sich bringt, gibt es Möglichkeiten, positiv mit ihr umzugehen. Es beginnt damit, sich der Wirkung unserer Worte bewusst zu werden und sie entsprechend zu wählen. 

Folgende Tipps helfen:

  • Empathie zeigen
    Konkreter Tipp: Bevor du einen Kommentar abschickst, nimm dir einen Moment Zeit, um die Situation aus der Perspektive der anderen Person zu betrachten. Frage dich: "Wie würde ich mich fühlen, wenn mir jemand so antwortet?"
    Beispielformulierung: "Ich verstehe, dass dieses Thema sehr wichtig für dich ist und du starke Gefühle dazu hast. Auch wenn ich eine andere Meinung habe, respektiere ich deine Sichtweise."
  • Respektvoll kommunizieren
    Konkreter Tipp: Verwende Sprache, die inklusiv und frei von beleidigenden Ausdrücken ist. Statt jemanden für eine Meinung direkt anzugreifen, fokussiere dich auf das Thema und nicht auf die Person.
    Beispielformulierung: "Interessanter Punkt! Ich sehe das allerdings anders. Lass uns die unterschiedlichen Perspektiven betrachten, um das Thema besser zu verstehen."
  • Fakten über Emotionen stellen
    Konkreter Tipp: Belege deine Argumente mit verifizierten Quellen und Daten. Vermeide es, Aussagen zu machen, die nur auf Emotionen oder unbegründeten Behauptungen basieren.
    Beispielformulierung: "Laut [Quelle] zeigt sich, dass... Dies unterstützt die Idee, dass... Was denkst du darüber?"
  • Kritisches Hinterfragen
    Konkreter Tipp: Überprüfe die Glaubwürdigkeit einer Information, bevor du sie teilst. Schau dir die Quelle an: Ist sie vertrauenswürdig? Gibt es gegensätzliche Meinungen oder weitere Beweise?
    Beispielformulierung: "Ich habe bemerkt, dass diese Information hauptsächlich von einer einzigen Quelle stammt. Haben wir vielleicht noch andere Perspektiven oder Daten, die wir in Betracht ziehen sollten?"
  • Konstruktive Diskussionen führen
    Konkreter Tipp: Richte deine Kommunikation auf das Ziel aus, gemeinsam Lösungen zu finden oder zumindest ein besseres gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Vermeide es, eine Position einzunehmen, bei der es nur um Gewinnen oder Verlieren geht.
    Beispielformulierung: "Das ist ein komplexes Thema. Ich habe deine Position verstanden. Danke, dass du sie mir erläutert hast. Auch, wenn wir in diesem Punkt unterschiedlicher Meinung bleiben."     

Sprache beeinflusst unser digitales Miteinander.  Indem wir uns bewusst für einen respektvollen und sensiblen Umgang mit Sprache entscheiden, können wir dazu beitragen, Brücken zwischen Menschen zu bauen, online und offline. 

Quelle: *Die Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug. Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht“ wurde innerhalb des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz erstellt und im Februar 2024 veröffentlicht. Herausgeber sind „Das NETTZ“ der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), HateAid und die „Neue deutsche Medienmacher*innen“.

Frauen sind besonders oft Opfer von Hasskommentaren.

Gruppenbezogener Hass im Netz: eine Gefahr für die Demokratie

Hate Speech trifft besonders oft Menschen, weil sie einer bestimmten Gruppe angehören. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gefährdet unsere Demokratie. Sie geht uns alle an.

FAQ