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Andreas Kadelke

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Von Hilfsmitteln und Bauchgefühlen - Datenanalysen im Sport

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Ja, ich geb's zu, auf dieses Thema habe ich mich besonders gefreut. Endlich mal was mit Fußball in der telegraphen_lounge! Es ging um die Digitalisierung im Sport, da spielt der Fußball natürlich eine wichtige Rolle. 

Und als Speaker hatten wir zwei ausgewiesene Fachleute am Start: Peter Görlich, Geschäftsführer der TSG 1899 Hoffenheim, und Johannes Steiniger MdB, Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages und Inhaber der DFB-Trainer-C-Lizenz.

Steiniger nannte gleich zu Beginn eine Statistik, die zeigt, dass Datenanalysen im Fußball alleine noch nicht viel über den Ausgang eines Spiels aussagen. Im WM-Halbfinale Brasilien gegen Deutschland vor zwei Jahren lagen die Brasilianer in fast allen Werten vorne: Ballbesitz, Torschüsse... Das Ergebnis ist bekannt: Brasilien unterlag 1:7. Big Data ist also nicht alles. Allerdings: In einem entscheidenden Wert sei die DFB-Elf besser gewesen, ergänzte Peter Görlich. Die Ballkontaktzeit der Deutschen sei um 30 Prozent geringer gewesen, Deutschland habe intensiver und darum erfolgreich gespielt.

Aber auch Görlich, dessen Verein hierzulande als Vorreiter auf diesem Feld gilt, weiß, dass Datenanalyse nicht der einzige Erfolgsfaktor ist. Trotz digitaler Unterstützung habe Hoffenheim in der zu Ende gegangenen Saison "den Abstieg gerade so verhindert", sagte er. Tatsächlich gibt es ja auch schon Stimmen, die die bisherige Form der Datenauswertung im Fußball kritisch hinterfragen. Dennoch ist Görlich von den Vorteilen überzeugt, und das wird bei jeder seiner Äußerungen deutlich. Die Datenerfassung und -auswertung mit Hilfe von Sensoren, Fitnesstrackern und Kameras sei eine Sportwissenschaft wie andere auch. Sie bringe auch neue Berufsfelder in den Sport. So beschäftige die TSG eigene Datenanalysten.

Nicht nur das, die Hoffenheimer schafften vor einigen Jahren den Footbonaut an. Vereinfacht gesagt eine weiterentwickelte Tennis-Ballwurfmaschine, mit der Fußballer Ballannahme und Schüsse trainieren können. Unter anderem lässt sich so die Ballkontaktzeit ermitteln, also wie schnell ein Fußballer einen Ball verarbeiten kann. "Als wir das angeschafft haben, wusste noch keiner, was man damit machen kann", so Görlitz. Doch gemeinsam mit der Sporthochschule Köln, der Uni Heidelberg und dem KIT Karlsruhe sei das Training mit dem Footbonaut wissenschaftlich entwickelt worden. Heute fließen die Ergebnisse in einen Lernzielkatalog für Profis und Jugendliche ein. Denn auch in der Jugendarbeit im eigenen Nachwuchsleistungszentrum setzt der Verein auf Digitalisierung.

Auch den olympischen Sportarten, die vom Bund unterstützt werden, soll die Digitalisierung helfen. Darum hat sich der Sportausschuss auch kürzlich mit dem Thema beschäftigt. Lediglich 0,4 Prozent Leistungsunterschied liege zwischen Medaillengewinnern und den Athleten, die leer ausgehen, sagte Johannes Steiniger. "Mit Hilfe der Digitalisierung wollen wir versuchen, die entscheidenden Zehntelprozent herauszuholen."

Der Breitensport wird nach Auffassung beider Experten eher indirekt von den Entwicklungen der Digitalisierung profitieren. Für Amateurvereine seien die aufwendigen Verfahren schlicht zu teuer. Aber: "Trainingsempfehlungen aus dem Spitzensport sind auch für den Breitensport gut", sagte Steiniger. Peter Görlich erwartet, dass der Durchbruch der Digitalisierung im Breitensport durch die Sportartikel-Hersteller kommt. Denn die wollten immer die neuesten Artikel verkaufen und müssten den Kunden dann auch zeigen, wie man damit umgeht. Auch davon würden die Vereine letztlich profitieren.

Wie wird das Fußballspiel in fünf Jahren aussehen, fragte eine Zuschauerin. "Das Zielspiel wird sich nicht verändern", glaubt Peter Görlich. "Aber es wird schneller werden." Johannes Steiniger ergänzte: "Die Intuition wird nicht verloren gehen. Die Mechanismen werden optimiert." Wir können also beruhigt sein. Ausnahmespieler wie Andrés Iniesta werden sich laut Görlich auch künftig durchsetzen.

Blieb die Frage, ob die Digitalisierung auch im Frauenfußball ankommt. Oh ja. Die Frauen seien "viel schärfer" auf die neuen Trainingsmethoden als die Herren, berichtete Peter Görlich. "Sie verbringen viel mehr Stunden im Footbonauten als die Männer." Allein, warum das so ist, wusste er nicht zu sagen. Die Antwort kam aus dem Publikum. "Frauenfußball ist eine Wachstumssportart. Und da ist die Offenheit für innovative Methoden viel größer", sagte Inka Müller-Schmäh, seit fast 20 Jahren Schiedsrichterin in der Frauen-Bundesliga.

Bei aller Begeisterung für Sensoren, Tracker, Herzfrequenzmessungen, Ballkontaktzeiten, "es sind Hilfsmittel", stellte Peter Görlich heraus. Und Johannes Steiniger ergänzte: "Jogi Löw wird sich bei der Aufstellung auf sein Bauchgefühl verlassen."

Die Diskussion hatte so viele spannende Aspekte, dass ich hier bei weitem nicht alles unterbringen kann. Wer sich für das Thema intessiert, sollte sich unbedingt die Aufzeichnung unseres Livestreams gönnen. Das ist geballte Kompetenz, und unterhaltsam ist es auch.

Ach übrigens: Die aktuelle Folge der Netzgeschichten befasst sich auch mit diesem Thema.

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