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Konzern

"Wir brauchen einen langen Atem"

Axel Wehmeier, Leiter des Konzerngeschäftsfelds Gesundheit, im Interview über Hindernisse und Perspektiven im Gesundheitsmarkt, die elektronische Gesundheitskarte und wie er sich selbst fit hält.

Wie entwickelt sich das Telekom-Geschäftsfeld Gesundheit? Axel Wehmeier: Wir sind sehr gut beim Thema Vernetzung im deutschen Gesundheitswesen vorangekommen. Ein Meilenstein war und ist, dass wir bereits zwei von drei Ausschreibungen beim Projekt Gesundheitskarte gewonnen haben. Des Weiteren haben wir viele Partnerschaften geschlossen, die für unseren Bereich enorm wichtig sind. Zum Beispiel sind wir bei den Abrechnungen der hausarztentrierten Versorgung exklusiver Partner des Hausärzteverbandes. Und auf der MEDICA werden wir verkünden, dass wir mit der ehemaligen Siemens Enterprise Communications, heute Unify, beim Thema Entertain für Krankenhäuser kooperieren.

Haben Sie neue Aufträge erhalten? Axel Wehmeier: Bei der Gematik haben wir die Gesundheitskarte und die Trust Center-Leistungen gewonnen, außerdem haben wir das Schwarzwald-Bahr-Klinikum mit Patienten-Entertain ausgestattet. Wir haben die ersten Kliniken auf unserer Cloud-Plattform, neue Verträge in der Schweiz geschlossen und mit unserem osteuropäischen Kompetenzzentrum in Ungarn einen Auftrag in Bosnien-Herzegowina eingefahren.

Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt? Axel Wehmeier: Unter dem Strich steht ein ‚Ja‘. Es gibt allerdings Innovationen, die schneller umgesetzt werden als man es plant und einige, bei denen man einen langen Atem haben muss. Stichwort Telemedizin: Gesetzlich ist diese bereits verankert, aber in der Praxis kommt sie nur langsam an.

Wo sehen Sie Perspektiven im Gesundheitsmarkt? Axel Wehmeier: Wir sind eines der letzten Länder in Europa, die eine Telematik-Infrastruktur ausrollen müssen. Dafür ist die Zeit nun reif, da auch die neue Regierung das Thema aufgreifen wird. Die Vernetzung im Gesundheitssystem, also der Austausch von Daten zwischen Kassen, Krankenhäusern oder auch Ärzten, wird optimiert werden müssen. Zudem kommt – da auch gesetzlich vorgeschrieben – die Telemedizin auf dem Land. Dafür sind wir – auch aufgrund unserer Partnerschaft mit dem Hausärzteverband, dem größten in Europa – sehr gut vorbereitet.

Welche Hürden gilt es noch zu überwinden? Axel Wehmeier: Es geht immer um die Abrechnung, sprich, können die Ärzte ihre Leistung entsprechend geltend machen. Das ist bis dato leider noch ungelöst.

Wo steht das internationale Gesundheitsgeschäft der Telekom? Axel Wehmeier: Unser Schwerpunkt im außerdeutschen Markt sind die Kliniken. Da werden wir mit 20 Prozent wachsen. In Singapur haben wir das erste Krankenhaus ausgestattet und in Afrika stehen wir kurz vor einem großen Vernetzungsvertrag. Die Pipeline ist gefüllt.

Warum wächst der internationale Markt so gut? Axel Wehmeier: Das hat sehr viele Gründe. In den USA beispielsweise hat die Obama-Regierung 30 Milliarden Dollar in den Gesundheitsmarkt gepumpt. In Singapur und Südafrika werden viele Themen einfach ausprobiert. Das funktioniert in Deutschland nicht, weil es sehr viele Player gibt. Es ist aber nicht so, dass wir hier rückständig sind. Im Gegenteil: Unser Projekt für die Verbesserung der Betreuungsqualität für Herz-Kreislauf-Erkrankte mit der Charité in Berlin, Fontane genannt, oder auch die telemedizinische Betreuung von Diabetes-Patienten in Leipzig, suchen international ihresgleichen.

Kann sich der Markt in Deutschland ähnlich dynamisch entwickeln? Axel Wehmeier: Auf jeden Fall. Wir haben sehr viele Innovationen aus dem klinischen Bereich, sehr viele Ärzte, die selbst Software entwickeln. Wenn wir die geeignete IT-Infrastruktur dafür bereitstellen, dann wird die Entwicklung rasant fortschreiten. Zudem wird der Markt für selbstbestimmtes Wohnen im Alter wachsen. Zum einen, da unsere Gesellschaft immer älter wird, zum anderen, weil wir im Vergleich zu vielen Ländern sehr wohlhabend sind.

Nicht alle im Gesundheitswesen glauben an die innovative Rolle der IT – zum Beispiel bei der Gesundheitskarte … Axel Wehmeier: … da muss man differenzieren. Viele Ärzte verschicken heute unsichere E-Mails. Sie sind sich durchaus bewusst, dass die IT immer mehr in ihre Praxen einziehen wird und ihnen letztlich auch die Arbeit erleichtert. Zum Beispiel, indem sie einfacher mit den Kollegen Daten austauschen können. Natürlich gibt es auch Mediziner, die eigene Vernetzungsideen haben. Aber ich bin überzeugt, dass die Gesundheitskarte ein Erfolg wird.

Wenn Sie sich für 2014 etwas wünschen könnten, was würde das sein? Axel Wehmeier: Dass wir im Bereich Telemedizin in einer Modellregion zeigen können, wie die Zukunft in einer immer älter werdenden Gesellschaft aussieht. Und, dass wir es älteren Menschen möglich machen, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden selbstbestimmt zu leben.

Sind die Wünsche auch gleichzeitig die größten Herausforderungen für das kommende Jahr? Axel Wehmeier: Das kann man so sehen. Versorgungsketten ins eigene Haus zu holen, ist hoch komplex. Die Deutschen besuchen ihren Arzt viel häufiger als es in anderen Ländern üblich ist. Die heutige Hausnotruftechnik ist doch eher abschreckend. Wir zeigen gerade in Goch, wie praktisch und einfach die mobile Kommunikation mit dem Arzt ist. Das ersetzt nicht jeden Arztbesuch, aber ältere Menschen sind sehr dankbar, wenn sie über eine Videokonferenz Kontakt aufnehmen können.

„Quantify yourself“ liegt im Trend. Wie will die Telekom von diesem Wachstumsmarkt profitieren? Axel Wehmeier: Bei dem Thema brauchen wir einen langen Atem. Da spielt das Vertrauen in den Datenschutz eine große Rolle. Wir testen einiges im medizinnahen Umfeld. Zum Beispiel mit einer telemedizinisch gestützten Diabetes-Lösung, die von der Krankenkasse Central unterstützt wird. Wir werden uns Stück für Stück auf diesem Markt als sicherer IT-Dienstleister positionieren. Auch mit Blick auf einen künftigen Massenmarkt.

Wie halten Sie sich selbst fit, welche Produkte nutzen Sie? Axel Wehmeier: Ich stelle fest, dass ich wieder mehr Treppen steige, seitdem ich das Fitness-Armband Jawbone Up benutze, um auf meine Schritte zu kommen. Leider schaffe ich es nicht mehr, jeden Tag zu laufen oder Rad zu fahren. Ich zwinge mich auch ein bisschen mehr zu schlafen. Ich kann das jedem nur empfehlen.

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