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Konzern

Breitbandausbau lässt zu wünschen übrig

Standpunkt von René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Im Rückwärtsgang möglichst schnell vorwärts fahren in neue Breitbandwelten - das wollen EU-Kommission und Bundesnetzagentur. Die Regulierer auf europäischer und deutscher Ebene üben sich im Widerspruch. Zum einen fordern sie einen flächendeckenden Breitbandausbau. Zum anderen lassen sie nicht von der Regulierungspraxis ab, die Preise im Telekommunikationsmarkt immer weiter zu senken. Die Halbierung der Terminierungsentgelte im Mobilfunk ist dafür nur das jüngste Beispiel. Es braucht deshalb viel Vorstellungskraft, um die Frage zu beantworten: Wie soll der Breitbandausbau denn finanziert werden?

In den vergangenen Jahren ging es dem Regulierer vor allem darum, im Telekommunikationsmarkt Wettbewerb zu etablieren und damit für die Verbraucher niedrigere Preise zu ermöglichen. Das Ziel war zwar schmerzhaft für die Telekom aber dennoch richtig - und das Ziel ist erreicht. Die Verbraucher haben die Wahl zwischen dutzenden Telekommunikationsanbietern. Die Preise betragen heute einen Bruchteil dessen, was vor einigen Jahren für Telekommunikation ausgegeben werden musste. Laut Bundesnetzagentur sind die Preise für ein nationales Ferngespräch von 1997 bis 2009 um rund 95 Prozent auf 1,6 Cent pro Minute gefallen. Dagegen hat der Leistungsumfang in der Telekommunikation - etwa durch höhere Bandbreiten - deutlich zugenommen. Der Wettbewerb funktioniert also mit den gewünschten Effekten. Der Breitbandausbau lässt hingegen deutlich zu wünschen übrig. Die Bundesregierung hat das richtige Ziel gesetzt, dass bis 2014 75 Prozent der Haushalte Übertragungsraten von 50 Megabit pro Sekunde nutzen können sollen. Dafür muss die Branche nach Expertenschätzungen bis zu 40 Milliarden Euro investieren. Die wichtigste Aufgabe der Regulierer sollte es daher sein, für Investitionsanreize zu sorgen, statt der Branche durch populäre Preiskürzungen Milliarden zu entziehen. Was nützt es, wenn die Preise weiter sinken, die Kunden neue Dienste aber nicht nutzen können, weil das Netz nicht über die nötigen Kapazitäten verfügt? Wie soll so die digitale Kluft zwischen Stadt und Land überwunden werden? Grundsätzlich investieren Unternehmen nur, wenn es sich für sie rentiert und sie eine gewisse Sicherheit über die Rahmenbedingungen haben. Beim Breitbandausbau ist entscheidend, wie die Regulierung der neuen Glasfasernetze aussehen wird. Mit der Neufassung des Telekommunikationsgesetzes im kommenden Jahr besteht für den Gesetzgeber die Möglichkeit, Investitionsanreize zu setzen. Längerfristig stabile Rahmenbedingungen sind dabei entscheidend. Zudem sollten sich Unternehmen über den gegenseitigen Netzzugang freiwillig einigen können, bevor der Regulierer eingreift. Sie können die Preise dann so aushandeln, dass die Mitnutzer einen Teil des Investitionsrisikos mittragen. Es gibt keinen Grund, die Telekom beim Glasfaserausbau weiterhin zu regulieren wie zu Monopolzeiten und andere Unternehmen nicht: Alle haben mit den Investitionen gerade erst begonnen - in einer Zeit des funktionierenden Wettbewerbs. Da bei schnellen Internetzugängen neben der Telekom vor allem Stadtnetzbetreiber und Kabelnetzbetreiber aktiv sind, sollten die Märkte zudem regional betrachtet werden. Wo Wettbewerb herrscht, kann die Regulierung reduziert werden.. Aus Verbrauchersicht ist weniger entscheidend, welcher Anbieter bundesweit marktmächtig ist. Den Verbraucher interessiert vor allem, dass er vor Ort die Wahl zwischen unterschiedlichen Anbietern hat. Dafür muss sich die Branche auf den freiwilligen, diskriminierungsfreien Netzzugang bei Glasfasernetzen einigen. Außerdem müssen hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards garantiert werden. Sonst wird der "Flickenteppich" aus vielen Netzen zum Risiko. Flächendeckende Breitbandinfrastruktur ist ein Schlüsselfaktor für den Wirtschaftsstandort. Innovationen, Produktivität, Wachstum und Beschäftigung hängen an Breitbandinfrastruktur. Ein Beispiel: Allein zwischen 2001 und 2005 führte die Breitbandverfügbarkeit zu rund 700 Unternehmensgründungen pro Jahr, so das Ergebnis der ZEW-Studie. Länder wie Südkorea, Japan und die USA sind mit ihrer Breitbandversorgung deutlich voraus. Durch massive Investitionen in anderen Ländern droht Deutschland weiter zurückzufallen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung des Internets zu. Neben der Suche nach Informationen, den Einkaufsmöglichkeiten und den sozialen Netzwerken entstehen neue Anwendungen etwa in der Telemedizin oder durch die intelligente Steuerung von Stromnetzen. Dafür brauchen die Menschen überall schnelle Internetverbindungen. Eine moderne Regulierung sollte sich deshalb auf eine Richtung festlegen: Mehr Breitband für alle.

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