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Marc Elsberg: "Ein Blackout etwa zeigt, was wir verlieren können."

Der Autor von "Zero" und "Blackout" verrät uns seine überraschend positive Sicht auf die Digitalisierung, spricht über das Grundeinkommen, Big Data und Bevorratung und verrät uns das Thema seines neuen Romans.

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Ihre Thriller "Blackout" und "Zero" handeln von den Gefahren der vernetzten Welt und warnen vor der gläsernen Gesellschaft. Wie schützen Sie selbst Ihre persönlichen Daten in der realen und der digitalen Welt? Und was genau wissen die Datenkraken heute schon von uns und Ihnen?

Marc Elsberg: Die Bücher machen auf die Herausforderungen der vernetzten Welt aufmerksam. Denn diese Welt bietet auch viele Vorteile, wie man in beiden Büchern ebenfalls erfahren kann. Ein Blackout etwa zeigt ja erst, was wir verlieren können – das muss man davor aber erst einmal geschaffen haben.

Und auch die digitalen Entwicklungen machen viel Positives möglich. Aber leider auch Negatives, etwa die Zerstörung der Privatsphäre und eine autokratische Überwachungsgesellschaft.

Echter Datenschutz auf persönlicher Ebene ist derzeit nur mit extrem hohen Aufwand und Fachwissen möglich, wenn man am normalen Alltagsleben teilnehmen will. Das gilt auch für mich. Aber auch kleinere symbolische Maßnahmen senden zumindest Signale an Unternehmen und Behörden: Surfen und Suchen über Anonymisierungswerkzeuge wie TOR, startpage etc. Mäßiger bis kein Einsatz von Kunden- und Rabattkarten, Handy auch einmal daheim liegen lassen, wenn man unterwegs ist usw.

Welche weiteren Aspekte der Digitalisierung werden Ihrer Meinung nach den größten Einfluss auf unser Leben haben – positiv wie negativ? Und können wir jenseits des vorsichtigen Umgangs mit unseren persönlichen Daten darauf Einfluss nehmen?

Marc Elsberg: Ein Aspekt wird die weiter zunehmende Automatisierung von Vorgängen sein, die heute noch durch Menschen erledigt werden. Davon sind zunehmend auch hoch ausgebildete Personen betroffen, wodurch es zu extremen Verwerfungen auf den Arbeitsmärkten kommen wird. Ob dadurch Arbeitsplätze in Massen verloren gehen oder wie bei früheren Technologierevolutionen nur in andere Bereiche verschoben werden, das wird sich noch erweisen. Falls ersteres geschieht, stehen wir vor einem Komplettumbau unseres Gesellschaftssystems und vor allem einer unserer Grundeinstellungen, die da heißt: Wer nichts arbeitet, soll auch nichts essen. Wenn es keine Arbeit mehr gibt, müssen wir diese Haltung grundlegend ändern – oder alle verhungern lassen, die keine mehr finden.

Einen zweiten Aspekt bildet die Möglichkeit der sehr detaillierten Messung und Quantifizierung von Phänomenen wie etwa Gefühlen und Wertvorstellungen. Was ich quantifizieren kann, kann ich in Einheiten teilen, denen ich einen Preis zuschreiben kann. Gefühle und Wertvorstellungen, die bislang nur sehr rudimentär Handelsware waren, werden zum Produkt. Der gesellschaftliche Diskurs z.B. über gemeinsame – oder unterschiedliche – Wertvorstellungen findet bislang in der politischen Arena statt. Wenn ich Wertvorstellungen mit einem Preisetikett versehen kann, wandert das gesellschaftliche Aushandeln von "Werten" in die ökonomische Sphäre. Das Aushandeln gesellschaftlicher Werte wie soziale Sicherheit, Familien- bzw. Partnerschaftsmodellen wird zum reinen Geschäft in einem Markt.

Einfluss nehmen können wir, indem wir sorgsam mit unseren Daten umgehen und uns verstärkt wieder an gesellschaftlichen Debatten beteiligen – in einer vernünftigen Form natürlich, nicht in einem hysterisierten gegenseitigen Hickhack.

Und im Schreibprozess selbst, wie fortschrittlich sind Sie als Autor?

Marc Elsberg: Ich schreibe noch selber, weil es bislang keine Software gibt, die mir das in ausreichender Qualität abnehmen könnte.

Sie haben Industriedesign studiert, was auf ein gewisses Zutrauen in den Fortschritt schließen lassen könnte. Dennoch stehen Gefahren der Digitalisierung und der Technisierung in einer vernetzten und globalisierten Welt in Ihren Büchern im Vordergrund, nicht Umweltschutz oder Terrorismus zum Beispiel. Hat sich Ihre Haltung verändert? Ist der Fortschritt wirklich ein Rückschritt, wie Sie es knackig formuliert haben?

Marc Elsberg: Ich bin ein großer Fan des Fortschritts und beobachte mit Sorge in Europa und gerade im deutschsprachigen Raum eine zunehmende Fortschritts- und Technologiefeindlichkeit. Wie schon erwähnt, geht es mir um zu wenig beleuchtete kritische Aspekte der Entwicklung, nicht um die Entwicklung an sich. Wir laufen in unserer immer stärker zu Schwarz-Weiß-Argumentationen neigenden Diskussionskultur dazu, das Kind mit dem Bad auszuschütten. Bloß, weil Vernetzung und Digitalisierung derzeit einen Haufen kritischer Aspekte hervorbringen, muss man sie nicht als Ganzes verdammen. Dasselbe gilt für das Thema meines nächsten Thrillers, die Gentechnologie.

Die knackige Formulierung "Ist Fortschritt ein Rückschritt?" stammt übrigens nicht von mir, sondern von meinem Verlag. Und sie ist bewusst als ergebnisoffene Frage formuliert, nicht als fortschrittsfeindliches Statement.

Umweltschutz und Terrorismus sind seit Jahrzehnten Thrillersujets, auf diese Themen findet man nur mehr sehr schwer einen grundlegend neuen Blickwinkel. Und ich habe keine Lust, die dreitausendste Wiederholung derselben Geschichte in etwas anderem Gewand zu schreiben.

Verändern Ihre Bücher und Themen Ihre Lebensweise auch im Privaten? Es heißt, dass Sie zu Hause Wasser und Lebensmittel bevorraten. Für wie viel Optimismus bleibt da noch Raum?

Marc Elsberg: Das mit den Lebensmitteln stimmt, seit meinen Blackout-Recherchen habe ich die behördlich empfohlenen Reserven für zwei Wochen zu Hause. Das ist nicht so viel. Unsere Mütter hatten das alle noch in der Speisekammer. Man sollte Optimismus nicht mit Verantwortungslosigkeit verwechseln. Jeder, der über gewisse Grundreserven verfügt, seien es Lebensmittel, Geld, ein soziales Netz, körperliche und geistige Fitness und andere, weiß, dass Reserven ein wesentlich gelasseneres und damit optimistischeres Leben ermöglichen.

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