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Am 14. September 2025 finden in NRW Kommunalwahlen statt. Anlass genug, den Blick auf ein wichtiges Thema zu lenken: Hass, Hetze und Bedrohungen gegen Menschen in politischen Ämtern nehmen zu. Vor allem auf kommunaler oder lokaler Ebene. Für Betroffene gibt es die „starke Stelle“. Wir haben mit Martina Ansorge, einer der Koordinatorinnen, über die Arbeit der bundesweiten Anlaufstelle gesprochen. Und warum insbesondere kommunalpolitisches Engagement geschützt werden muss.

Liebe Frau Ansorge, die starke Stelle unterstützt kommunale Amts- und Mandatstragende, die in ihrem politischen Alltag mit Hass, Hetze oder Bedrohung konfrontiert werden. Wie sieht diese Unterstützung ganz konkret aus?

Als starke Stelle nehmen wir eine „Lotsen“-Funktion wahr. Wir bieten persönliche bedarfsgerechte Orientierung zu Hilfs- und Unterstützungsangeboten. Der erste Schritt ist immer das Gespräch, um in der individuellen Situation angemessene Angebote in den Kommunen, Ländern oder auf Bundesebene zu vermitteln.

Ein Beispiel: Im letzten Jahr meldete sich ein Bürgermeister, der über längere Zeit massiv bedroht und öffentlich verleumdet wurde. Nachdem auf seinem Privatgrundstück die Reifen seines Autos zerstochen wurden, wandte er sich an uns. Er fühlte sich auch zu Hause nicht mehr sicher. Wir analysierten die Situation und besprachen, wie er sich schützen kann. Wir haben ihn schließlich auch ermutigt, Anzeige zu erstatten. Zudem vermittelten wir den Kontakt zu einer speziellen Ansprechstelle für kommunalpolitische Amts- und Mandatstragende der Polizei, zu psychologischer Unterstützung und juristischer Beratung. 

Poster der Kampagne "starke Stelle" mit Schriftzug Respekt statt Hass

Warum und seit wann gibt es die starke Stelle?

In Deutschland engagieren sich über 200.000 Menschen ehrenamtlich in der Kommunalpolitik. Sie sorgen dafür, dass das tägliche Leben in Städten, Gemeinden und Landkreisen funktioniert und gestalten unser demokratisches Zusammenleben – von Schulen über Straßen bis zu Umweltschutz und sozialen Angeboten. Leider erfahren sie für ihr Engagement nicht nur Anerkennung. Vielmehr erleben sie zunehmend auch Hass, Hetze und Bedrohungen – digital, im Alltag, beim Wahlkampf, in Bürgerversammlungen oder sogar vor der eigenen Haustür.

Um sie in solchen Fällen zu unterstützen und ihnen zu zeigen, dass sie mit diesen Herausforderungen nicht alleine sind, gibt es seit dem 1. August 2024 die starke Stelle. Organisatorisch ist sie beim Deutschen Forum für Kriminalprävention (DFK) angesiedelt und wird vom Bundesministerium des Innern gefördert.

Viele Politikerinnen und Politiker zögern, sich Hilfe zu holen. Sie denken, dass sie Kritik oder sogar Anfeindungen einfach aushalten müssen. Wo verläuft die Grenze?

Es gehört nicht zum Amt, sich verleumden zu lassen. Und es gehört auch nicht dazu, Hass, Hetze oder Bedrohungen hinzunehmen. Kritik an politischen Entscheidungen, sachliche Auseinandersetzungen oder auch mal ein leidenschaftlicher Streit sind Teil einer lebendigen Demokratie. Wenn Angriffe jedoch persönlich werden, Grenzen überschritten oder Menschen gezielt eingeschüchtert werden sollen, ist Schluss. Dafür ist niemand im Amt.

Wie viele Politikerinnen und Politiker in den Städten und Gemeinden sind betroffen? Gibt es Untersuchungen zum Anstieg von Anfeindungen und Übergriffen?

Ja, die Zahlen gibt es. Sieht man sich das Kommunale Monitoring des Bundeskriminalamts (KoMo)* an, dann haben rund ein Drittel (34 Prozent) der Befragten kommunalen Amtsträger:innen in den letzten sechs Monaten Anfeindungen erlebt. 81 Prozent von ihnen schildern psychische und / oder physische Auswirkungen, lediglich 11 Prozent haben Anzeige erstattet. Und nur rund ein Prozent von ihnen hat eine Beratungsstelle aufgesucht. 

Darum ist es so wichtig, dass uns mehr Menschen kennen und wissen, wo und wie man sich Hilfe holen kann. Darum freuen wir uns über die Möglichkeit, hier im Rahmen der “Gegen Hass im Netz”-Initiative der Telekom über das Angebot zu informieren.

Warum melden sich so wenige bei den Beratungsstellen und der Polizei? 

Oft sind Hilfsangebote gar nicht so leicht zu finden. Und dann kommt dazu: Manche Kommunal-Engagierten haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass Anzeigen nicht ernst genommen oder Verfahren schnell eingestellt wurden. Da bleibt oft das Gefühl zurück: „Das bringt doch eh nichts.“ Dieser Frust ist nachvollziehbar – und auch die Kritik daran. 

Ich war bislang Anwältin und spezialisiert auf Opferschutz. Deshalb ist es mir besonders wichtig, Menschen über ihre Rechte aufzuklären, ihnen zu erklären, wie ein Strafverfahren abläuft – und sie auf spezialisierte und sensibilisierte Ansprechpersonen bei der Polizei und andere Unterstützungsangebote aufmerksam zu machen.

Man muss auch erstmal wissen, wonach man überhaupt sucht: Wer bietet psychosoziale Unterstützung? Wer kann beraten, wenn es um die Sicherheit des eigenen Hauses geht? Das ist nicht leicht zu überblicken. Der Tag von Menschen, die sich neben ihrem Job und der Familie für das Gemeinwohl engagieren, hat eben auch nur 24 Stunden. Wir entlasten, indem wir passende Angebote bündeln und konkrete Anlaufstellen zeigen. Das spart Zeit und macht den ersten Schritt oft leichter.

Welche langfristigen Ziele verfolgt die starke Stelle?

Langfristig wäre es schön, wenn es uns gar nicht mehr bräuchte, weil politische Debatten wieder mit Respekt geführt werden und Hass und Hetze keinen Platz mehr haben. Bis dahin unterstützen wir Kommunal-Engagierte dabei, sich Hilfe zu holen, bevor Konflikte eskalieren oder Ohnmacht entsteht. Denn wer sich für seine Kommune stark macht, macht unsere Demokratie stark. Und genau diesen Menschen stehen wir zur Seite.

Vielen Dank für das Gespräch, Martina Ansorge.

So ist die starke Stelle erreichbar:
Beratung & Hilfe für kommunale Amts- und Mandatstragende

Telefonisch: 0800 – 300 99 44 
(Mo–Fr von 9 bis 16 Uhr) und nach Vereinbarung
Per E-Mail: info@starkestelle.de

Mehr Infos & Materialien: www.starkestelle.de
Vertraulich & kostenlos


* MOTRA führt seit Herbst 2021 ein „Kommunales Monitoring zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern“ (KoMo) durch. Die aktuellen Ergebnisse finden Sie hier: https://www.motra.info/berichte/

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