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Stuttgart: Mit geballter Kraft ins Gigabit-Netz

Johannes Pruchnow ist seit eineinhalb Jahren Vorstandsbeauftragter der Telekom für Breitbandkooperationen. Warum die Telekom beim Partnerschaftsmodell in Stuttgart voll auf Zusammenarbeit setzt und welche Interessen dabei unter einen Hut müssen, erzählt er im Kurzinterview.

Pruchnow, Johannes

Johannes Pruchnow, Vorstandsbeauftragter der Telekom für Breitbandkooperationen.

Herr Pruchnow, die Verkündung des partnerschaftlichen Netzausbaus in der Region Stuttgart vergangene Woche war ein Paukenschlag. Wie ordnen Sie dieses Partnerschaftsmodell ein?

Johannes Pruchnow: Das Medienecho war recht laut und die Reaktionen überwiegend positiv. In der Tat kommt es für einige überraschend, dass die Stadt Stuttgart sowie die fünf umliegenden Landkreise gemeinsam mit der Deutschen Telekom den Netzausbau vorantreiben. Gerade in Baden-Württemberg ist bisher das Betreibermodell im geförderten Breitbandausbau vorherrschend. Wenn wir nun im Rahmen des Partnerschaftsmodells unseren kooperativen Eigenausbau massiv vorantreiben, ist es an vielen Stellen nicht notwendig, dass die Städte und Kommunen den Netzausbau im geförderten Breitbandausbau eigenständig ausbauen. Zum einen sollte privatwirtschaftlicher Ausbau vor gefördertem Ausbau stehen. Zum anderen wäre eine Kombination aus reinem Eigenbau und Netzkooperationen vorteilhafter. Wir stellen den Netzzugang auch Dritten zur Verfügung, so entsteht Angebotsvielfalt. Alle Seiten gewinnen dabei, und die Bürgerinnen und Bürger sowie die vielen Unternehmen, Schulen und öffentlichen Einrichtungen in dieser Region bekommen das, was sie verdienen: Die beste Technik und das beste Netz.

… wofür die Telekom auch tief in die Tasche greift? 

Johannes Pruchnow: Wir wollen allein für den Glasfaserausbau in der Region bis 2030 rund 1,1, Milliarden Euro investieren. Die Region stellt Leistungen im Wert von 500 Millionen für den Ausbau zur Verfügung – da können Wettbewerber dann ebenso zum Zuge kommen wie die Telekom. Wir sind beim Breitbandausbau in einem liberalisierten Markt mit mittlerweile rund 400 Unternehmen unterwegs. Auf viele von diesen werden wir auch in diesem Projekt treffen. Es wird darum gehen, vorhandene Infrastruktur intelligent zu nutzen. Ein Thema sind die Bau- und Planungskapazitäten. Sie wissen, dass Bauunternehmen hinsichtlich Planung und Umsetzung in Deutschland am Limit sind. Hier ist ein abgestimmtes Vorgehen, das Synergien nutzt, sinnvoll. Ein weiteres Thema sind die vielen kleinen Schritte, die wir vor Ort in den nächsten Jahren gehen müssen: Sei es Baugenehmigungen, Wahl der neuen Mobilfunkstandorte oder die Unterstützung bei der Vermarktung der neu gebauten Anschlüsse. Hier wird sich dann zeigen, wie belastbar der Begriff „Partnerschaftsmodell“ in der Praxis ist. Denn neben unseren eigenen Interessen müssen wir die Ansprüche von lokalen und regionalen Behörden, Interessensvertretungen, Verbänden sowie Bürgerinnen und Bürger unter einen Hut bringen. Durch die Bündelung dieser zahlreichen Stimmen im Verband „Region Stuttgart“ können diese Fragen effektiv adressiert werden.

Es gab direkt nach Bekanntgabe der Absichtserklärung Gegenwind in einigen Kommunen. Sind Sie davon überrascht?  

Johannes Pruchnow: Nach der Bekanntgabe haben wir sehr viel Zuspruch bekommen und viele positive Rückmeldungen, alle wollen unterstützen. Die Telekom wird mit allen Carriern, Stadtwerken, Kommunen und Bürgern, die ihr in der Region die Hand reicht, eng zusammenarbeiten. Wir sitzen alle im selben Boot mit demselben Ziel: Schnell die Region ans Gigabitnetz anschließen. Denn unsere ambitionierten Ziele schaffen wir auch in der Region Stuttgart am besten mit geballter Power. Wir reden über ein wirtschaftlich starkes Gebiet mit 2,7 Millionen Menschen und rund 140.000 Unternehmensstandorten. Wenn aber in Sachen Digitalisierung weiterhin jeder sein eigenes Süppchen kocht, wird niemand die Breitbandziele erreichen – das gilt übrigens für ganz Deutschland. Die Bereitschaft, beim Netzausbau mit anderen zu kooperieren, ist in den vergangenen Jahren in Deutschland deutlich gestiegen.

Das heißt, das Partnerschaftsmodell in der Region Stuttgart ist eine Blaupause für den künftigen Breitbandausbau der Telekom? 

Johannes Pruchnow: Nicht zwingend, aber durchaus möglich. Jede Region hat ihre eigenen Voraussetzungen, die es immer neu zu beachten gibt. In Niedersachsen beispielsweise wollen wir im Joint Venture mit „Lokalmatador“ EWE ein Gebiet mit bis zu 1,5 Millionen Haushalten mit FTTH/B versorgen. Aber der Ansatz, möglichst viele Spieler mit einem konsolidierten Angang und einem Vertrag an den Tisch zu bekommen, ist bestimmt sinnvoll. Kooperationen verringern das Investitionsvolumen je Teilnehmer und sorgen für mehr Geschwindigkeit. Übrigens ist das Modell in Stuttgart ein Mikrokosmos unserer gesamten Ausbaustrategie: Wir sehen hier Eigenausbau, geförderten Ausbau, Kooperationen mit anderen Marktteilnehmern und einen Technologiemix.

Herr Pruchnow, danke für das Gespräch.

Zur Person:
Johannes Pruchnow ist seit November 2016 Vorstandsbeauftragter für Breitbandkooperation der Telekom. Der Diplom-Ingenieur der Luft- und Raumfahrttechnik und Diplom-Wirtschaftsingenieur war von 2012 bis 2016 CEO der 1&1 Versatel. Davor verantwortete Johannes Pruchnow als Managing Director u.a. den Geschäftskundenbereich von Telefónica Germany. Von 2007 bis 2009 war er CEO von Telefónica Deutschland und hat in dieser Zeit das Wholesale-Geschäft aufgebaut. Als Vizepräsident im Breko (Bundesverband Breitbandkommunikation) und Präsidumsmitglied im VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten) gestaltete Pruchnow die regulatorischen Rahmenbedingungen des deutschen Telekommunikationsmarkts seit 2008 aktiv mit. Pruchnow lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in München.

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