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Computer-Pisa – digitale Kompetenz trotz Schule

"In Deutschland lernen Schüler den Umgang mit Computern – trotz Schule", sagt Professor Wilfried Bos, Direktor des Arbeitsbereichs Bildungsmonitoring und Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund. Das ist provokant, aber er muss es wissen. Bos ist der deutsche Studienleiter für das sogenannte "Computer-Pisa". Das ist die International Computer and Information Literacy Study – kurz ICILS - eine Studie, die die Computerkenntnisse von Achtklässlern international vergleicht. Die deutschen Schülerinnen und Schüler belegten in dieser Ende 2014 vorgestellten Untersuchung nur Plätze im Mittelfeld. Auch Europas größte Bildungsmesse, die Didacta, setzt in diesen Tagen auf die Digitale Bildung als ein Schwerpunktthema. Hype oder echte Misere – wir haben mit Bildungsexperte Bos dazu gesprochen:

Herr Bos, Ihre Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Deutschland im internationalen Vergleich nicht wirklich gut ist, was den Einsatz von digitalen Medien in der Schule angeht. Was läuft schief in Deutschland? Was können wir von den europäischen Musterländern Tschechien oder Norwegen lernen?

Professor Wilfried Bos: In vielen anderen europäischen Ländern hat das Lehren und Lernen mit Hilfe digitaler Medien eine längere Tradition als in Deutschland, die sich unter anderem in einer stärkeren curricularen Verankerung digitaler Medien zeigt. Auch in der Lehrerausbildung hinkt Deutschland hinterher, da hierzulande die Vermittlung medienpädagogischer Kompetenzen noch nicht flächendeckend einen verbindlichen Teil der Lehrerausbildung darstellt.

Bildung ist in Deutschland Sache der Bundesländer. Wer ist hier besonders gut oder schlecht?

Bos: Die Ergebnisse des Länderindikators 2015, der im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung vergangenes Jahr erstmals erstellt wurde, zeigen an: Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz sind nach Einschätzung der dort unterrichtenden Lehrkräfte bereits recht weit. Das betrifft die Ausstattung von Schulen mit digitalen Medien, die Nutzung digitaler Medien im Unterricht, die Einstellungen gegenüber dem unterrichtlichen Medieneinsatz sowie der Förderung der IT-bezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern. Im Gegenzug finden sich allerdings auch sechs Länder, denen ein vergleichsweise hoher Handlungsbedarf zugesprochen werden kann. Im internationalen Vergleich zeigt sich allerdings, dass nahezu alle Bundesländer in Bezug auf die benannten Aspekte im mittleren bis unteren Bereich zu verorten sind.

Ist Digitalkompetenz zwingend notwendig?

Bos: Digitale Kompetenz ist als eine von insgesamt acht Schlüsselkompetenzen für das lebenslange Lernen, die von der Europäischen Kommission 2006 definiert wurden, und kann als ein Aspekt der modernen Grundbildung verstanden werden. Schließlich gibt es in der Alltags- und Berufswelt des 21. Jahrhunderts kaum noch einen Bereich, in dem man ohne entsprechende Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien auskommt.

Wird wer länger surft auch automatisch klüger? Laut Kritikern gibt es keine Beweise dafür, dass Lernergebnisse durch den Einsatz von Computern besser werden. Ist es also reine Geschäftstüchtigkeit von Geräteherstellern und Netzbetreibern, mehr Digitalkompetenz in Schulen zu fordern?

Bos: Mit ICILS 2013 konnte herausgestellt werden, dass Jugendliche, die den Computer häufig, also mindestens einmal pro Woche, zu Hause nutzen, über signifikant höhere computer- und informationsbezogene Kompetenzen verfügen als ihre Peers, die zu Hause seltener einen Computer nutzen. Die Analysen verdeutlichen, dass ein Großteil der computer- und informationsbezogenen Kompetenzen außerhalb der Schule erworben wird. Für Deutschland konnte dieser Zusammenhang mit der schulischen Computernutzungshäufigkeit nicht nachgewiesen werden, wohl aber für andere Bildungssysteme, wie zum Beispiel Australien, Dänemark oder Norwegen.
Eine uneinheitliche Befundlage zeigt sich allerdings für den Zusammenhang zwischen der Nutzungshäufigkeit digitaler Medien und der schulischen Leistung in anderen Kompetenzdomänen, wie etwa Lesekompetenz oder mathematische Kompetenz. Hier besteht noch weiterer Forschungsbedarf.

Gehören Smartphones und Tablets denn in die Schule oder stören solche digitalen "Spielzeuge" nur?

Bos: Digitale Medien können in der Schule das fachliche und fachübergreifende Lernen unterstützen. Dafür sind aber im Vorhinein pädagogische Prinzipien und inhaltliche Anknüpfungspunkte zu überlegen, um den Einsatz solcher Geräte wirklich sinnvoll und nützlich gestalten zu können. Zudem können sie das Interesse und die Motivation der Schülerinnen und Schüler steigern.

Herr Bos, wie sieht für Sie die "ideale Welt" in den Schulen aus, um Schüler gut auf die Zukunft vorzubereiten?

Bos: Schulen brauchen Medienkonzepte, die an die pädagogischen Herausforderungen angepasst sind. Gleiches gilt für die anforderungsgerechte und bedarfsorientierte Ausstattung mit digitalen Medien. Darüber hinaus ist die Kooperation zwischen schulischen Akteuren sehr wichtig, insbesondere vor dem Hintergrund des schnellen technologischen Wandels, der auch das schulische Lernen in Zukunft weiter beeinflussen wird.

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