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Wolfgang Kopf

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Landgericht Köln entscheidet: Meta muss für die Nutzung der Netze bezahlen – Wichtiger Schritt für „Fair Share“

Ein Beitrag von Wolfgang Kopf, Leiter Zentralbereich Politik und Regulierung Deutsche Telekom AG.

Mitten in der Coronakrise kündigte Meta einen langjährigen Datentransportvertrag mit der Telekom und stellte sämtliche Zahlungen ein, obwohl damals die größten Datenmengen, die jemals über das Telekom-Netz flossen, zu bewältigen waren. Die Telekom klagte und gewann. Trotzdem braucht es jetzt eine Regelung auf europäischer Ebene. Denn das Thema steht in einem größeren Zusammenhang.

Das alte Internet ist tot

Das Internet steht allen offen. Aber es hat seinen Preis. Denn so virtuell es ist: Es beruht auf Infrastruktur, die teuer gebaut werden muss. Die Datenverkehre steigen rasant. So dass die Netze permanent erweitert werden müssen, damit die Daten auch diskriminierungsfrei bei den Endnutzern ankommen. Dafür hatte sich jahrelang ein Modell etabliert: Eine dezentrale Internet-Infrastruktur – das „Netz der Netze“ – in der Tausende unterschiedlicher Netze daran beteiligt waren, den weltweiten Datenverkehr zu transportieren. In dieser alten Welt war es üblich, dass für die Datenübertragung zwischen Netzen Entgelte gezahlt wurden, mit denen dann wiederum der Ausbau der Netze mitfinanziert wurde. Nur zwischen Netzen, die ähnlich große Datenmengen miteinander austauschten, wurde auf Entgeltzahlungen verzichtet. Man sprach damals von Tier 1 Betreibern. Das war eine pragmatische und faire Lösung.

Portrait Wolfgang Kopf.

Wolfgang Kopf, Leiter Zentralbereich Politik und Regulierung der Deutschen Telekom AG.

Das Internet von heute hat mit dieser alten Welt wenig gemein. Heute fließen weltweit 71 Prozent des Datenverkehrs über proprietäre Backbone-Netze und Content Delivery Networks, die einer Handvoll großer Internetunternehmen und Hyperscalern gehören, Big Tech eben. Diese Konzerne tun alles, um Kunden auf ihre Plattformen zu bringen und ihnen dann einen Wechsel zu erschweren. Mit ihrer überragenden Verhandlungsmacht haben sie dann durchgesetzt, dass sie für den Datentransport zum Kunden nichts mehr oder sehr viel weniger als in den Anfängen des Internets zahlen müssen. Obwohl hier die Datenströme völlig asymmetrisch sind. Dabei hilft ihnen, dass die Netze der Telekommunikationsunternehmen strikt reguliert sind, während es bislang keinerlei Regeln für die Backbone-Netze von Big Tech gibt. Während Netzbetreiber in Europa strikten Netzneutralitätsregeln unterworfen sind, unterliegen diese Backbones solchen Regeln nicht. Eine weitergehende Plattformneutralität für Inhalte ist dabei bislang noch nicht einmal Diskussionsthema. 

Das Prinzip der Netzneutralität wird dabei ad absurdum geführt. Netzbetreiber müssen jedweden Verkehr von Big Tech zum Kunden zu transportieren: Egal wie groß, wieviel Spam und Werbung dieser auch enthalten mag. Das bedeutet: Kapazitäten müssen permanent erweitert und Netze ausgebaut werden – nicht nur um die hohen Datenvolumina zu bewältigen – sondern auch, um weiterhin die Einhaltung der Netzneutralität zu garantieren. Denn wenn das Netz“ verstopft ist, können die Daten nicht „frei und neutral“ fließen. Hier in der europäischen Debatte von einer Gefahr für die Netzneutralität zu sprechen, ist somit absolut zutreffend - nur geht diese Gefahr dabei nicht von den Netzbetreibern aus, sondern von Big Tech. Die permanente Erweiterung der Netze ist die Grundlage für die Netzneutralität. Wäre es nicht fair, wenn die Unternehmen, die von dieser werthaltigen Leistung überproportional profitieren ihren Beitrag leisten? 

Für mich ist das auch eine strategische Frage. Denn was ist die Alternative? Entweder tragen die Verbraucherinnen und Verbraucher die Kosten durch höhere Entgelte für den Internetzugang. Oder – weil der Wettbewerb hart und reguliert ist – die Kosten gehen zulasten der Telco-Anbieter, denen wiederum Investitionsmittel für weiteren Netzausbau oder Geschäftsfelder wie die Cloud oder KI fehlen. 

Der Rechtsstreit zwischen Telekom und Meta steht also in einem größeren Kontext. Mitten in der Coronakrise kündigte Meta einseitig einen zehnjährigen Datentransportvertrag mit der Telekom und stellte von einem Tag auf den anderen sämtliche Zahlungen ein. Aber natürlich speist Meta weiter beträchtliche Datenmengen von populären Diensten wie Instagram oder WhatsApp direkt in das Netz der Telekom ein. Die Telekom erhob im Juli 2021 Klage, um trotz der starken Verhandlungsmacht des Social-Media-Giganten eine Bezahlung für eine werthaltige Leistung durchzusetzen. Zur Erinnerung: Meta machte im Corona-Jahr 2021 mit fast 40 Milliarden Dollar die höchsten Gewinne der Firmengeschichte.

Drei Jahre nach Klageeinreichung wurde im Mai 2024 nunmehr das Urteil gesprochen. Das Landgericht bestätigt die Auffassung der Telekom vollumfänglich: Meta muss einstweilig für die Netznutzung zahlen. Die Zahlungen belaufen sich für den eingeklagten Zeitraum auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

Landgericht: Meta muss für Datentransport zahlen 

Bei dem Gerichtsverfahren ging es aber nicht nur um offenstehende Rechnungen – es geht hierbei grundsätzlich um die Frage, ob Netzbetreiber in Europa von den großen Internetkonzernen ein Entgelt für den Datentransport verlangen dürfen. Das Gerichte bejahte diese Frage und korrigiert damit das Big Tech Narrativ von den „abwegigen Netzgebühren“ in Europa, für die sich Telekommunikationsbetreiber stark machen würden. Das Gerichtsverfahren zeigt dabei deutlich, dass große Internetkonzerne wie Meta ihre überragende Verhandlungsmacht ausnutzen, um keinen Cent mehr für eine werthaltige Leistung zu zahlen – weder gegenüber der Deutschen Telekom noch gegenüber anderen europäischen Netzbetreibern. Meta trug dabei vor Gericht vor, dass man nirgendwo auf der Welt mehr zahlen würde und die Telekom die Einzige sei, die noch „Gebühren“ erhebe. 

Das Verfahren zeigt allerdings auch, dass der Markt diese Problematik nicht allein lösen kann. Die Verhandlungsmacht, die die großen Tech-Giganten wie Meta auf Telekommunikationsunternehmen ausüben, wird vom Landgericht Köln anerkannt. Im Prozess ging es jedoch nicht um die Frage, wie hoch der Preis für den Transport der Daten zum Kunden sein darf. Trotzdem ist das Urteil sehr wichtig.

Europäische Regeln statt Gerichtsprozesse?

Angesichts des über drei Jahre langen und kostspieligen Rechtsstreits, der voraussichtlich längst noch nicht zu Ende ist, kann es nicht die Lösung sein, Netzbetreiber in Europa auf den Rechtsweg zu verweisen, um eine Einigung über Preise für die Nutzung der Netze herbeizuführen. Das Verfahren unterstreicht daher den dringenden Handlungsbedarf in Brüssel: es bedarf europaweiter Regelungen, um eine rasche Beilegung von Streitigkeiten zu gewährleisten. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung eines verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus ist daher ausdrücklich zu begrüßen. Können sich Big Tech und Netzbetreiber nicht auf einen angemessenen Preis für den Datentransport einigen, entscheidet ein Schiedsrichter, z.B. eine Regulierungsbehörde. So könnte verhindert werden, dass Netzbetreiber künftig ständig vor Gericht ziehen müssen, um für ihre werthaltigen Leistungen bezahlt zu werden. 

Fazit:

Das Gerichtsurteil ist auch deshalb so bedeutsam, weil es klarstellt, dass Datentransport eine werthaltige Leistung ist, die honoriert werden muss. Die heutigen Zahlungen sind allerdings zu gering, um auch nur ansatzweise von einem angemessenen und fairen Preis zu sprechen. 

Sie sollten, wie in allen Plattformmärkten, den tatsächlichen Wert der Leistung widerspiegeln. Schließlich machen Telekommunikationsunternehmen die Geschäftsmodelle der großen Internetunternehmen erst möglich. Netzbetreiber in Deutschland und Europa sorgen mit Milliardeninvestitionen dafür, dass Breiband- und Mobilfunknetze kontinuierlich ausgebaut werden und die Daten von Big Tech-Unternehmen deren Nutzer erreichen. Erstklassige Konnektivität ist die Grundlage für die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen, die unsere digitale Zukunft prägen werden. Warum sollten sie, wenn sie diese Leistungen nutzen, dann auch nicht angemessen dafür bezahlen? 

Wolfgang Kopf

Wolfgang Kopf

Leiter Zentralbereich Politik und Regulierung

Dachterrasse und Kuppel des Reichstags in Berlin.

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