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Konzern

Martina Morawietz

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Logistik trägt Verantwortung für die Zukunft

Globale Wertschöpfungsketten durch Logistik nachhaltiger gestalten. Das ist das Ziel der Bundesvereinigung für Logistik (BVL) zusammen mit der Telekom. Fachleute für Logistik, Transport und Verkehr und von T-Systems erarbeiten eine Agenda für Nachhaltigkeit in der Transportlogistik. Digitalisierung ist dabei ein wichtiger Baustein. Wir sprechen mit dem Logistik-Experten Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt* über Herausforderungen und Lösungen und wie einfache Maßnahmen 4.000 Euro Kraftstoffkosten pro Fahrer sparen helfen – bei entsprechender Senkung des Co2-Ausstoßes. 

Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt.

„Eine ganze Reihe von digitalen Lösungen können die Kosten senken, Transporte beschleunigen und die Effizienz steigern.“ © Privat

Die Bundesregierung will den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent senken. Welche Rolle spielt dabei die Transportlogistik?

Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt: Eine ganz wesentliche. Der Anteil des Güterverkehrs am Gesamtverkehr in Deutschland liegt bei etwa einem Drittel. Die Transportlogistik ist für den Ausstoß von Treibhausgasen ein maßgeblicher Faktor. Güterverkehr belastet unsere öffentlichen Infrastrukturen und verursacht Staus in Innenstädten. Andererseits ist die Transportlogistik systemrelevant. Sie ist vom Einkauf über die Fertigung bis zur Distribution an den Endkunden in alle Schritte der Wertschöpfungskette eingebunden. Sie ist notwendig für Wohlstand und Wirtschaftswachstum, aber gleichzeitig in hohem Maße verantwortlich für CO2-Emissionen. Zudem ist sie mit über drei Millionen Beschäftigten der drittgrößte Wirtschaftsbereich des Landes, nach Automobilwirtschaft und Handel. Schon allein deswegen trägt sie eine Verantwortung für die Zukunft.

Unternehmen stellen Nachhaltigkeit ins Zentrum ihrer Konzernstrategie. Wo steht die Logistikbranche?

Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt: Auch in der Logistikbranche haben führende Unternehmen erkannt, dass Gesellschaft und Kunden mehr Nachhaltigkeit einfordern. Und dass sie sich durch eine stringente Nachhaltigkeitsstrategie Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Traditionell steht die Branche unter großem Wirtschaftlichkeits- und Effizienzdruck. Manche Unternehmen scheuen daher – gerade auch in den aktuellen Zeiten – Investitionen in Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die nicht unmittelbar das Geschäftsergebnis verbessern. Aber es gibt eine ganze Reihe digitaler Lösungen, die die Nachhaltigkeit und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit steigern. 

„Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit widersprechen sich nicht, sie bedingen beziehungsweise befördern sich gegenseitig“

Was würden Sie Unternehmen konkret empfehlen?

Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt: Zum einen kann man schon mit relativ kleinen Maßnahmen eine spürbare Wirkung erzielen. Eine Schulung, bei der ein Fahrer eine verbrauchsschonende Fahrweise trainiert, kostet beispielsweise etwa 350 Euro. Aufs Jahr gerechnet lassen sich dadurch die Kraftstoffkosten pro Fahrer um drei- bis viertausend Euro senken und entsprechend natürlich der CO2-Ausstoß.
Zum zweiten geht es darum, die Auslastung der Transportmittel auf der Straße, auf der Schiene, im Wasser oder in der Luft zu erhöhen. Gut ausgelastete Fahrzeuge bedeuten weniger Fahrten, weniger Personaleinsatz und weniger Treibstoffverbrauch. Denn Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit widersprechen sich nicht, sie bedingen beziehungsweise befördern sich gegenseitig. Digitale Instrumente können wirksam beides unterstützen. Intelligente Vorhersagesysteme helfen, Anzahl, Beladung und Routen der Fahrzeuge besser zu planen. 
Und drittens lohnt es sich, sein Geschäftsmodell zu überdenken und in Digitalisierung zu investieren. Auf kooperative Modelle und Partnerschaften beispielsweise zu setzen, zahlt sich aus. So haben bereits vor Jahren die Konkurrenten Ferrero und Mars ihre Transporte zusammengelegt. Weil sie dieselben Kunden bedienen und zuvor mit halbausgelasteten LKW unterwegs waren. Andere Kooperationen wie Nestlé und PepsiCo oder Eckes und Kaufland sind weitere Beispiele, die ein gemeinsames Distributionscenter oder einen gemeinsamen Fuhrpark betreiben. Weitere Ansätze sind in der Wertschöpfungskette sicherlich möglich.

 „Digitalisierung als Stellhebel für mehr Nachhaltigkeit“

Wie kann Digitalisierung dabei helfen? 

Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt: Digitalisierung ist sicherlich ein Hebel, zum Beispiel um die Auslastung von Fahrzeugen oder die Terminsicherheit zu erhöhen. So lässt sich anhand der Analyse von historischen und Echtzeitdaten sehr genau vorhersagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit welcher Transport mit welchem Nachfragegrad stattfinden wird. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von digitalen Lösungen, die Kosten senken, Transporte beschleunigen und die Effizienz steigern können. Elektronische Frachtdokumente zum Beispiel ersetzen Papierausdrucke, senken die Fehlerquote und steigern für alle Beteiligten die Transparenz während des Lieferwegs. Telematik-Lösungen reduzieren den Kraftstoffverbrauch, indem sie die Routenführung verbessern und in Echtzeit Staus berücksichtigen. Trackingtools in der Flottensteuerung analysieren den Fahrstil und geben Hinweise zur Verbesserung. Zudem warnen sie frühzeitig, wenn Wartungen notwendig werden, und senken so die Ausfallzeiten. 

Was bedeuten robuste Lieferketten hinsichtlich der Nachhaltigkeit?

Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt: Nachhaltigkeit besteht immer aus drei Ebenen. Das Gleichgewicht zwischen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Ebene auszubalancieren ist eine Herausforderung. Das zeigt auch die durch Corona ausgelöste Diskussion um globale Lieferketten. Sicherlich ist es sinnvoll, Wertschöpfungsketten regionaler auszurichten. Auch höhere Sicherheitsbestände in dezentralen Lagern vorzuhalten und wirksame Strategien für Zweitlieferanten zu entwickeln helfen. Für die Transportlogistik bedeutet das, mehr Fahrten mit kleineren Vehikeln über kürzere Strecken. Mit digitalen Lösungen lässt sich eine möglichst hohe Auslastung erreichen. 
Auch die soziale Nachhaltigkeit in Billiglohnländern kann erhöht werden. Zum Beispiel, wenn man bei seinen Lieferanten nicht nur auf Qualität und Lieferfähigkeit achtet, sondern auch auf soziale Standards, von Sicherheitsbedingungen am Arbeitsplatz über faire Entlohnung bis zur Einhaltung des Verbots von Kinderarbeit. Es gibt bereits cloudbasierte Lösungen für das Lieferantenmanagement, die in dieser Hinsicht größere Transparenz schaffen. Und ich bin mir ganz sicher, dass soziale Aspekte in Zukunft noch wichtiger werden.

*Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt ist geschäftsführender Leiter des Instituts für angewandte Logistik der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Seit Juni fungiert er zudem als deren Nachhaltigkeitsbeauftragter. Seit über 30 Jahren arbeitet Müller-Steinfahrt zudem als selbständiger Berater und Trainer für Logistik-, Prozess- und Nachhaltigkeitsmanagement. Er bekleidet verschiedene Aufsichtsratsmandate für IT- und Handelsunternehmen und ist Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft DVWG, Bezirk Nordbayern.  

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