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Roman Ahrens

Nicht einfach blind drauf los – Neue Sporterfahrung in der JVA

Kommt ein Blinder ins Gefängnis und spielt Fußball: Was sich anhört wie der Beginn eines schlechten Witzes, war die Ausganssituation für die bis dato wohl ungewöhnlichste „Neue Sporterfahrung“: Hinter hohen Mauern in der JVA (Justizvollzugsanstalt) Wuppertal-Ronsdorf.

 Die Teilnehmer der Neuen Sporterfahrung wagten sich beim Blindenfußball auf unbekanntes Terrain.

Die Teilnehmer der Neuen Sporterfahrung wagten sich beim Blindenfußball auf unbekanntes Terrain.

Daniel Hoß ist ein alter Hase im Blindenfußball: Er spielt nicht nur schon über ein Jahrzehnt in der Blindenfußball-Bundesliga für den PSV Köln, sondern begleitet auch seit Jahren das Projekt Neue Sporterfahrung (NSE). Normalerweise zeigt er dabei Kindern und Jugendlichen auf Fußballplätzen in der ganzen Republik, wie es für ihn als Blinden ist, Fußball zu spielen. In der JVA Wuppertal-Ronsdorf hatte er jedoch nicht nur Hallenboden statt Kunstrasen unter den Füßen, sondern vor allem Knastmauern um ihn herum. „Etwas ganz Besonderes“, wie er vor der Einheit betonte.

Die ungewöhnliche Kulisse kam durch die Kooperation der Telekom als Ausrichter der NSE mit der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes zustande. Diese engagiert sich bereits seit 1977 für die Resozialisierung von Strafgefangenen. Das umfangreiche Konzept „Anstoß für ein neues Leben“ basiert auf den drei gleichberechtigten Säulen Sport, Arbeit/Beruf/Ausbildung und Soziales.

Sport als Integrator

Als eine von nur zwei Einrichtungen deutschlandweit hat die JVA Wuppertal eine ganz spezielle Wohngruppe. Von den bis zu 510 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14-24 Jahren, die in der JVA Wuppertal einsitzen, dürfen nur 16 in die Sepp Herberger-Wohngruppe. Die Auswahl erfolgt nach festen Kriterien wie Dauer der Haftstrafe, hohe Lernbereitschaft, Offenheit und guter Führung.

Wenn man sich die Gitter an den Fenstern wegdenkt, sieht es in der Wohngruppe auf den ersten Blick gar nicht so sehr nach einem Gefängnis aus: Die Jugendlichen tragen Sportkleidung, es gibt einen Kicker, die Wände sind mit Fußball-Motiven verziert und über dem Glaskasten, in dem das Personal sitzt, steht in großen Lettern „Trainerstab“. Neben Schule oder Ausbildung haben die Jugendlichen regelmäßige Sporteinheiten und können zudem einen Trainer- oder Schiedsrichterschein machen.

So normal wie möglich

Das Stichwort dahinter lautet „Angleichungsprinzip“: „Wir wollen den Jugendlichen hier möglichst viel Normalität bieten, um sie auf die Zeit nach der Entlassung vorzubereiten“, erklärt Uwe Stärk, der Sportkoordinator der JVA. Nicht jeder schafft nach der durchschnittlichen Haftdauer von 18 Monaten den Sprung in ein geregeltes Leben mit Wohnung und Arbeit.

Umso wichtiger sind während der Zeit hinter Gittern Angebote, um die Jugendlichen möglichst gut auf ein Leben auf freiem Fuß vorzubereiten. Das Projekt NSE, so betonte Stärk, sehe er als einen Teil der Integrationsarbeit auf dem Weg zu diesem Ziel. „Es ist wichtig, den Jungs zu zeigen, dass es Menschen gibt, die viel größere Herausforderungen zu meistern haben.“

Die Welt mit anderen Augen sehen

Welche, das zeigte Daniel zusammen mit Trainer John dann ziemlich deutlich. Als die Jungs am Anfang noch mit dem mit Rasseln gefüllten speziellen Blinden-Ball zauberten, beeindruckte Daniel das nicht. „Das geht gleich nicht mehr“, sagte er ganz trocken.

Denn mit den abgedunkelten Skibrillen wirken die Jugendlichen bei den ersten Übungen schnell recht hilflos. Daniel hilft immer wieder mit Tipps, aber die Orientierung und Koordination sind ohne Sehkraft nun mal schwer. So erinnert das Abschlussspiel dann auch eher an eine Bambini-Mannschaft: Alle auf den Ball, den hört man schließlich. „Ich finde, das haben die Jungs ziemlich gut gemacht“, zeigte sich Daniel am Ende dennoch zufrieden.

Klaus Winter hatte bei seinem Fazit weniger den sportlichen, als den ganzheitlichen Blick: Als Vertreter des Justizministeriums NRW und Leiter des Fachbereichs Pädagogik wollte er sich die NSE nicht entgehen lassen. „Für uns ist das ein Brückenschlag zwischen den beiden Säulen Sport und Soziales, was auch auf unser Ziel der Empathieförderung einzahlt“. Durch solche Maßnahmen lernen sie, dass sie nicht allein auf der Welt sind“, so Winter.

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