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Andreas Kadelke

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Von Skandalisierung und Medienaufsicht - Thesen zu Algorithmen im Netz / Video

www_youtube_com_watch_v_mjrH6ebbqs8

Als mich irgendwann, vielleicht vor zehn, elf Jahren, ein Kollege auf dieses neue Wunderding namens Google aufmerksam machte, tat er das mit folgenden Worten: "Das ist eine Suchmaschine, die liefert viel bessere Treffer als die anderen."

Und die Startseite war auch nicht so vollgestopft mit Werbung wie bei Yahoo oder - wie heißt das Ding mit dem Hund noch mal? - richtig, Lycos. Natürlich habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, wie diese Suchergebnisse zustande kommen. Weder bei Google, noch bei Yahoo oder Lycos. Man ist ja einfacher Anwender. Mittlerweile gibt es noch eine Reihe anderer Wunderdinge wie etwa Facebook oder Twitter oder Amazon oder, oder, oder.

Und es gibt eine allmählich Fahrt aufnehmende Diskussion darüber, wie Suchergebnisse, Statusmeldungen oder Shopping-Empfehlungen, die wir erhalten, zustande kommen. Eben dieser Frage sind wir nachgegangen beim telegraphen_lunch in Berlin, Thema: "Scheuklappen im Netz -Übernehmen Algorithmen die Kontrolle über unser Wissen?"Max Senges, in Googles Policy Team an den Schnittstellen von Internetpolitik, Innovation und Technikphilosophie tätig, sieht bei diesem Thema einen gewissen "Medienpessimismus" und einen Hang zur Skandalisierung. Nach seiner Auffassung gab es schon immer Filter, die den Informationsfluss beeinflussten. In den klassischen Medien seien dies die Redakteure. "In deren Köpfe kann auch keiner von uns reingucken", sagte Senges. Hingegen habe Google, entgegen der landläufigen Meinung, seine Suchalgorithmen in Google AdSense sehr wohl zumindest in Teilen die Kernelemente seines Suchalgorithmus PageRank als wissenschaftliche Veröffentlichung seit Jahren offen gelegt.

Google müsse diese Informationen gar nicht veröffentlichen, sagte Ulrich Clauß, der als Redakteur bei der "Welt" unter anderem über Netzthemen schreibt. Schließlich seien sie ein Geschäftsgeheimnis - ähnlich wie das Rezept von Coca Cola.Die von dem amerikanischen Netzaktivisten Eli Pariser entwickelte These, die Suchalgorithmen von Google, Facebook & Co. ließen uns intellektuell im eigenen Saft schmoren (Pariser nennt dieses Phänomen Filter Bubble), blieb nicht lange unwidersprochen. Max Senges sagt dazu, Pariser tue so, als seien diese Algorithmen fest programmiert. Tatsächlich aber seien sie lernende Empfehlungsalgorithmen, die auch neue Ergebnisse hervorbrächten.

Die von Pariser geforderte Offenlegung dieser Algorithmen hält Michael Seemann vom Blog mspro für überflüssig: "Normale Menschen können diese Algorithmen nicht verstehen", sagte er. "Und: für wen sollen sie verständlich gemacht werden? Auch für 16-Jährige?"

Der Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach, stellvertretender Vorsitzender der Internet Enquete-Kommission, sagte, im Internet könne jeder zum Verleger werden. "Doch wer entscheidet, wer an den Kiosk kommt?", fragte er.

An diesen Punkt knüpfte Welt-Redakteur Clauß an. Nach seiner Ansicht ist Google ein Medium wie andere auch. "Warum also", fragte er, "ist Google nicht einer Medienaufsicht unterworfen?" Clauß wünscht sich auch mehr Wettbewerb, "fünf oder zehn Googles, die miteinander konkurrieren".

Braucht es gar nicht so dringend, meinte Stefen Niemeyer von der PR-Agentur Frische Fische: "Google und Facebook können mich doch nicht zwingen, etwas zu tun, was ich nicht will", sagte er. Und zum Thema Wettbewerb: "Ich probiere häufiger mal Bing aus. Aber so lange die Antworten schlechter sind als bei Google, bin ich schnell wieder weg."

Mir hat die Diskussion zwei Dinge gezeigt: Erstens kann man sich auch als einfacher Anwender hin und wieder Gedanken über das Wie machen. Und zweitens ist die Diskussion über die Filter Bubble gerade erst am Anfang.

P.S.: Wer sich noch mit dem Thema beschäftigen möchte, kann das unter anderem hier tun:

Noch'n P.S.: Morgen wird es dazu auch noch ein Video geben, dass Eindrücke und Thesen der Diskussion zeigt.

Update: Hier ist nun unser Video mit Eindrücken und Stimmen zum Thema Filter Bubble.

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