Transformation: Wichtig, aber wie geht’s richtig?
Wer einen Bereich, sein Produktportfolio oder das gesamte Unternehmen nachhaltig transformiert, braucht mehr als Prozesse und KPIs zur Kontrolle.
Globalisierung, Digitalisierung, permanente Marktveränderungen, ein extremer Wettbewerbs- und Kostendruck verlangen ein Höchstmaß an Flexibilität – und erzwingen immer wieder neue Strategien und damit organisatorische Veränderungen. Kurz gesagt: Transformation! Aber was bedeutet Transformation im Unternehmen? Nüchtern definiert ist es ein Prozess der Veränderung, vom aktuellen Zustand hin zu einem angestrebten Ziel-Zustand, so heißt es bei Wikipedia. Okay, versteht jeder. Also Haken dran und weiter transformieren?
Fundamentale Veränderungen
Auch wir im Inhouse-Consulting der Telekom sind in unseren Projekten ständig mit Transformation beschäftigt. In den letzten 15 Jahren haben wir im „Center for Strategic Projects“ rund 300 Transformationsprojekte begleitet. Da gab es große Aufgaben, die unser Unternehmen fundamental verändert haben. One Company zum Beispiel. Wer weiß heute noch, dass es in Deutschland zwei rechtlich getrennte Telekom-Firmen für Mobilfunk und Festnetz gab: T-Mobile und T-Com. Oder als wir die Telekom IT gegründet haben, quasi unser internes IT-Entwicklungs- und Systemhaus. Dies waren fundamentale Transformationen von Unternehmensstrukturen, die sich quer durch die ganze Telekom gezogen haben – und von denen sehr viele Mitarbeiter direkt betroffen waren.
Haben wir diese Transformationen richtig und gut umgesetzt? Nüchtern betrachtet: weitgehend schon – wenn ich nur die Ziele betrachte, die wir erreichen wollten. Wir haben die Organisation entworfen, neue Prozesse beschrieben und die IT-Systeme angepasst. Business as usual für einen Consultant. Trotzdem stellen wir uns im Team immer wieder die Frage, ob wir mit dem rein betriebswirtschaftlichen Blick wirklich richtig beurteilen können, ob wir erfolgreich transformieren?
Transformation verändert soziale Umfelder
Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Deuringer, heute verantwortlich für das Global Brand Management der Allianz, schreibt in seinem Buch über Organisation und Change Management: „Typischerweise muss ein Unternehmen während des Transformationsprozesses einen Großteil seiner Beziehungen zur Umwelt neu definieren. Daher stellt die Business Transformation eine entscheidende Wende in den Beziehungen des Unternehmens zu Einzelpersonen und zu seinem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld dar.“
Damit kommen wir der Sache näher. Bei Transformationen geht es eben nicht nur um Zahlen, Daten, Fakten und Prozesse. Es geht sehr stark auch um Menschen und Beziehungen. Denn jede Transformation bedeutet für die Mitarbeiter immer ein Change ihrer Arbeitsumgebung, ihrer Kollegen, von Standorten und Räumen, kurz: Transformation verändert das soziale Umfeld. Wer also glaubt, dass er Veränderungen ohne die hiervon betroffenen Menschen nach Plan realisieren kann, wird in der Praxis schnell eines Besseren belehrt werden.
Veränderung wird als Bedrohung wahrgenommen
Ganz entscheidend ist daher, ob ein Projekt erfolgreich ist: Wie stellen wir sicher, dass die Mitarbeiter verstehen, was wir vorhaben, warum wir verändern und was sich konkret verbessern wird? Nur dann werden sie sich für die neue Organisation engagieren, aus intrinsischer Überzeugung mitziehen und die Transformation positiv gestalten. Wer den Fokus nur auf Ziele setzt und die psychologische Seite außer Acht lässt, stößt bei den Beschäftigten zumeist auf Widerstand.
Hier spielt also das Change-Management eine entscheidende Rolle. Denn Mitarbeiter sehen Veränderungen meist eher als Bedrohung. Ihre Reaktionen reichen von absoluter Hilflosigkeit über geäußerte und gelebte Skepsis bis hin zu offenem Widerstand. Das hat wiederum gravierende Auswirkungen auf das Betriebsklima und die Organisationskultur. Insbesondere dann, wenn sie in einem Unternehmen arbeiten, dass sich ständig verändert.
Mitarbeiter einbinden und mitgestalten lassen
Wie schaffen wir es, bei einer Transformation alle Beteiligten mitzunehmen? Dafür lohnt sich ein Blick auf die agile Entwicklung von Software und neuen Lösungen. So wie wir das seit einiger Zeit sehr erfolgreich in Projekten der Telekom IT, T-Systems und Telekom Deutschland praktizieren. Wir müssen raus aus unseren Silos, Vertreter aller „Betroffenen“ an einen Tisch holen, bereichsübergreifend zusammenarbeiten und von Beginn an den Input des ganzen Teams nicht nur abgreifen, sondern sie vielmehr mitgestalten lassen. Wer weiß besser, wie sich ein Prozess verändern muss und wie wir insgesamt besser werden können, als die Mitarbeiter, die täglich mit den Prozessen zu tun haben?
Daher gilt mein Appell an alle, die Transformation anstoßen und begleiten: Gebt die Richtung vor, aber gebt den „Betroffenen“ die Freiheit, den Weg agil mitzubestimmen. Und orientiert euch an agilen Entwicklungsmethoden, die nicht nach dem großen Ganzen suchen, sondern nach dem Prinzip des „Minimal Viable Products“ mit kleinen Schritten erste funktionierende Teillösungen auf den Markt bringen. Aus diesen MVP lernen wir, ändern Richtungen, wählen andere Pfade aus, korrigieren unsere Vorgehensweisen und Zielsetzungen und kommen am Ende gemeinsam zu einem besseren Ergebnis.
Ein Unternehmen ist ein komplexes soziales Gebilde. Unterschiedliche Vorstellungen, Meinungen und Interessen treffen hier aufeinander und können zu Konflikten führen. Dies behindert Transformationsprozesse. Eine Folge: Verlust von Mitarbeitern. Und meines Erachtens genauso gefährlich: Die innere Abkehr vom Arbeitgeber.