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Andreas Middel

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Viele Holzpinocchios in rot und weiß

Aus den Redaktionskonferenzen einer großen Hamburger Wochenzeitschrift wurde vor einigen Jahren ein netter Spruch kolportiert: Wer recherchiert, ist meinungsschwach!!! 

Was als Running Gag in Hamburg kursierte, scheint heute weit verbreitete Praxis. Der High-Speed-Informationsfluss im Internet-Zeitalter hat den klassischen Journalismus innerhalb kürzester Zeit komplett umgekrempelt. Wo Fakten, Daten, Dokumente jederzeit und überall abrufbar sind, verlieren die klassischen Medien ihr Quasi-Monopol der Nachrichtenvermittlung und Einordnung. Die Trennung von Nachricht und Meinung ist längst aufgehoben.

Anschaulich lässt sich dies am Beispiel des „Stinkefingers“ des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis belegen (#varoufake). In manchen Medienblogs wird behauptet, nur dank der digitalen Medien und dem dort weit verbreiteten Denken in Skandalen sei überhaupt erst #varoufake möglich geworden. Der mediale Hype um Varoufakis Mittelfinger, gleichermaßen digital wie analog verbreitet,  ist für Journalismus-Kritiker eine Steilvorlage. Harald Staun (FAZ) sieht in dem ganzen Vorgang einen „Journalismus, der für die täglichen Verdrehungen vermeintlicher Fakten und Tatsachen gar keine Kategorien, keine Sprache, kein Bewusstsein hat“.

Alles wird munter und bunt gemischt, alles, was nur irgendwie online abrufbar ist, wird weiterverbreitet. Faktencheck, Quellenprüfung - überflüssig! Was zählt sind Schnelligkeit und Radau, Klicks und Klamauk.

Der Journalist Hajo Schumacher, nicht unbedingt als ausgewogener und ausgeruhter Autor bekannt, spricht im Zusammenhang mit der „Stinkefinger-Affäre“ um den griechischen Finanzminister von einem „Wendepunkt“ für das gesamte mediale System in Deutschland.

Aber muss wirklich alles in Frage gestellt werden: Wahrheit im Netz, Schwarmintelligenz oder Schwarmdummheit? Unzweifelhaft ist, dass die All-überall-Verfügbarkeit von Informationen nicht zwingend zu schnellerer Wahrheitsfindung führt. Unbestritten ist aber auch, dass WikiLeaks immer wieder mehr Licht in komplexe Zusammenhänge gebracht hat. Ohne die Berichte über die NSA-Tätigkeiten gäbe es heute kaum eine Diskussion über Cyber-Security, über Verschlüsselungstechniken und -möglichkeiten.

Fundierte Recherche, Quellenkritik zahlen sich also in jedem Falle aus, egal ob digital oder analog. Allerdings zeigt sich in der gesamten Varoufakis-Debatte auch eines: Man glaubt gerne das, was man glauben will. Und das vollkommen unabhängig davon, welches Medium genutzt wird.

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