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Nicole Schmidt

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Weihrauch trifft WLAN

2000 Jahre Glaubensgeschichte der großen Weltreligionen und das knapp 30 Jahre alte Internet – in welchem Verhältnis stehen die beiden zueinander? Ist die digitale Gemeinde versus religiöser Gemeinde wie die Geschichte von David gegen Goliath? Oder gibt es gar kein Gegeneinander, sondern eher einen Erweckungsimpuls?

v.l.n.r. Volker Wieprecht, Dr. Christian Stäblein, Paul Ziemiak

v.l.n.r. Volker Wieprecht, Dr. Christian Stäblein, Paul Ziemiak

Diese und andere Fragen zum Thema „Digitale Religion“ diskutierten wir in der telegraphen_lounge mit unseren Gesprächsgästen Paul Ziemiak, Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschlands und praktizierender Katholik, und Dr. Christian Stäblein, Propst der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Um es gleich vorwegzunehmen: Das Publikum ging intensiv mit und die Stimmung war so hoffnungsvoll wie beim Ostergebet.

Mit dem Hinweis, dass sich ein Viertel aller Suchanfragen im Internet mit Glaubensfragen beschäftige, eröffnete Moderator Volker Wieprecht die Diskussion. „Alles, was es analog gibt, gibt es auch im Netz“, sagte Dr. Stäblein und verwies auf die breite digitale Präsenz der evangelischen Kirche in der digitalen Sphäre. So genannte „Godspots“ bieten kostenfreien WLAN-Zugang von Kirchen aus, kirchliche Inhalte wie Gebete und Seelsorge sind genauso digital verfügbar wie Gottesdienst-Streamings. „Wo die Menschen sind, sind auch wir. Deswegen sind wir auch als Gemeinde im digitalen Raum. Das gehört heute so selbstverständlich dazu wie der Buchdruck vor 500 Jahren.“ Für ihn gibt es keine Gründe, die neuen Techniken nicht zu nutzen, wenn es ethisch angemessen geschieht.

Eine eher optimistische Sicht auf das Verhältnis von Kirche und digitaler Welt vertrat auch Paul Ziemiak. Er gibt dem Internet eine zentrale Bedeutung für den Zugang junger Menschen zum Glauben. „Die Leute sitzen abends und googeln im Zweifel die größte Frage, nämlich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Ich glaube, dass das eine große Chance für die Kirchen ist, den Zugang zu Menschen zu finden, die auf der Suche sind.“ Gleichwohl hat er im Silicon Valley die Tendenz gesehen, dass sich der Glaube an Technik schon beinahe als eigener Glaube entwickelt. Hier stellt sich für ihn aber die elementare Frage nach der Würde des Menschen.

Angesichts des Verfalls der Sitten durch digitales Mobbing oder Hasskommentare kam aus dem Publikum die Anregung, dass die Kirchen hier Leitplanken für einen anständigen Umgang miteinander mitgeben könnten. „Die Kirche war immer eine Art von Leuchtturm. Die Kirchen hätten hier eine Chance, den Menschen einen ‚Knigge für das Internet‘ mitzugeben“, regte ein Gast an.

Trotz eines Publikums, das wirkte als wolle es bis zum jüngsten Tag engagiert weiterdiskutieren, konnte ein übereinstimmendes Fazit gezogen werden: Die etablierten digitalen Angebote der Kirchen ersetzen nicht das althergebrachte Gebet im Gotteshaus und im Kreise der Glaubensgemeinschaft, sind aber beileibe nicht verdammenswürdig, sondern vielmehr ein weiteres, modernes Eintrittstor in die Welt des Glaubens.

Die telegraphen_lounge verpasst, aber trotzdem Lust, die Diskussion nachzuverfolgen? Die Aufzeichnung unseres Livestreams macht’s möglich. Meine Empfehlung: Das philosophische Highlight von Dr. Stäblein [bei 05:58 min] und das Plädoyer von Paul Ziemiak zur Würde des Menschen [bei 45:58 min]. Die Netzgeschichten werden in Kürze den Punkt „Digitale Religion – Digitale Kirche“ noch einmal aufgreifen.

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Netzgeschichten: Digitale Religion

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