Corona und die Wirtschaft: Digitalisierung jetzt beschleunigen
Ein Beitrag von Adel Al-Saleh, Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG und CEO T-Systems.
Nichts ist mehr wie es war: Das Corona-Virus stellt Gesellschaft und Wirtschaft auf den Kopf. Ich erlebe das wie viele jeden Tag. Ein Beispiel: Eigentlich sollte ich letzte Woche auf der Industriemesse in Hannover sein. Um mit Kollegen zu sprechen, mit Partnern und Kunden. Und um Journalisten unsere Top-Exponate und T-Systems-Highlights vorzustellen – eigentlich. Stattdessen haben wir ein digitales Event veranstaltet.
Digital-Event ist die neue Messe
Diesen April ist alles neu... Die Pandemie und die Ansteckungsgefahr ließen uns keine Wahl: Wir haben die Messe als physisches Ereignis abgesagt. Dafür haben wir die vorgesehene Präsentation für die Messe am Montag (20. April) in eine vollständig digitale Veranstaltung umgewandelt. Ich habe von meiner Heimatstadt London aus teilgenommen. Mehrere tausend Zuschauer verfolgten den Livestream. Kunden und Medien kennen nun unsere neuen Angebote. Digitale Veranstaltungen sind zweifellos Teil unserer neuen Zukunft. Alles wird digital. Transformation ist nicht länger ein anderer Name für "mittelfristiger Business-Plan" sondern absolutes Gebot der Stunde. Volldampf bei der Digitalisierung: Dafür ist es jetzt höchste Eisenbahn.
T-Systems hat vor über zwei Jahren mit der Transformation zu einem Digital-Dienstleister begonnen. Können wir deswegen in die Glaskugel schauen und sagen, wie die Wirtschaft nach Corona aussieht? Sicher nicht, das wäre vermessen. Aber wir haben in der Transformation und den zurückliegenden Pandemie-Wochen bereits Erfahrungen gesammelt. Wir glauben, dass sie für die Zeit danach nützlich sind und daher wollen wir sie teilen. Wir haben uns vor und während der Pandemie gefragt: Was müssen wir sofort tun? Wie sehen dann die nächsten Schritte aus?
Agil und pragmatisch – sogar am Wochenende
Die ersten Home-Office-Wochen waren für uns und viele Unternehmen bereits sehr lehrreich: Sind wir abhängig von menschlicher Interaktion im Büro? Und ist die Pandemie deshalb ein Risiko für unsere wirtschaftliche Zukunft? Diese Fragen stellt heute niemand mehr. Wir stellen aktuell zudem fest: Arbeit von zuhause aus ist häufig effizienter, als wir vor Covid-19 vermutet hätten. Wir haben auch erlebt, wie agil wir auf eine Krise reagieren. Was manchmal Monate brauchte, funktionierte mit pragmatischem Anpacken plötzlich von Freitag bis Sonntag. Anders ging es auch nicht: Übers Wochenende benötigte etwa ein Dax-Kunde doppelte Netzkapazität.
Gesellschaft und Firmen brauchten einfach schnelle Hilfe: Ein großer Logistiker bekam kurzerhand 15.000 verschlüsselte Verbindungen für seine Heimarbeiter. Innerhalb von zwei Tagen haben wir ein Gesundheitsunternehmen in den USA mit 500 Laptops und 1.000 VPNs versorgt. Ein anderer Kunde erhielt 400 Prozent mehr Leistung für Anwendungen aus dem Rechenzentrum. Für Bayern haben wir innerhalb von fünf Tagen ein Online-Tool gebaut. Die Landesverwaltung bearbeitet damit Hilfsgelder und zahlt so in der Krise dringend benötigte Finanzspritzen an Kleinfirmen aus.
Aber das war nur der Anfang der Reaktion auf die Krise. Die folgenden drei Phasen der Digitalisierung, mit denen sich jeder CDO oder CIO auseinandersetzen muss, liegen auf der Hand:
- Den laufenden Betrieb sicherstellen
Zuerst muss alles für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten getan werden. In meinem Unternehmen haben wir das Glück, dass die Mehrheit unserer Mitarbeiter mit Laptops, Smartphones oder Tablets ausgestattet ist. Dies ermöglicht es ihnen, von zu Hause aus zu arbeiten. Darüber hinaus sind gute Datenverbindungen und Plattformen für das Zusammenarbeiten von entscheidender Bedeutung. Wir haben die Bandbreite und die Anzahl der Fernzugriffsleitungen für viele unserer Kunden innerhalb weniger Tage verdoppelt. Solche Projekte dauern in der Regel Wochen von der Ausschreibung bis zur Bereitstellung. Die Umstellung auf Richtlinien zur sozialen Distanzierung erfordert Flexibilität in vielerlei Hinsicht. - An die neue Realität anpassen
Die wirtschaftlichen Auswirkungen, die wir sehen, sind beispiellos. Jeder hofft auf ein schnelles Wirtschaftswunder nach Covid-19. Aber ich fürchte, dafür brauchen wir Geduld. Die Unternehmen planen, nach dem Coronavirus die Ausgaben in Milliardenhöhe zu kürzen. Die Digitalisierung war schon immer ein Katalysator dafür. Aber die Unternehmen müssen investieren, um die Kosten in den Griff zu bekommen, die Effizienz zu steigern und die finanzielle Stabilität durch die Digitalisierung zu sichern. Deshalb hat der Vorstoß zur Digitalisierung an Momentum gewonnen. Natürlich hatte jedes Unternehmen schon vor der Corona-Krise eine digitale Agenda und eine langfristige Strategie. Aber jetzt muss alles doppelt so schnell umgesetzt werden.
Um einige konkrete Beispiele zu nennen: Ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Digitalisierung zu mehr Widerstandsfähigkeit ist der Einsatz von Multi-Clouds und die Kunst, sie zu orchestrieren. Unternehmensnetzwerke müssen auf dem neuesten Stand der Technik sein. Softwaregesteuerte Netzwerke und mobile Kommunikation der nächsten Generation unter Verwendung der 5G-Campus-Technologie ermöglichen Zusammenarbeit in Echtzeit. Und sie ermöglichen neue Lösungen für das Internet der Dinge. Diese Technologien legen den Grundstein für die neue Realität. Und natürlich auch die Sicherheit: In Krisenzeiten, in denen Unternehmen ohnehin geschwächt sind, riechen Angreifer leichte Beute. - Digitalisierung jetzt beschleunigen
Die dritte Phase konzentriert sich auf die wirklich grundlegenden Veränderungen im Geschäftsdesign. Kein Unternehmen ist vor solchen Krisen gefeit. Aber die Geschwindigkeit, mit der große multinationale Unternehmen innerhalb weniger Wochen in so ernste Schwierigkeiten geraten sind, ist kaum zu glauben. Vielleicht wurden bestimmte Prozesse überoptimiert, zum Beispiel die Lieferketten. Wenn diese in einer solchen Ausnahmesituation versagen, kommt der Betrieb zum Erliegen. Aber auch die Art und Weise, wie wir reisen, mit Kunden umgehen, Produkte vermarkten oder Mitarbeiter einstellen, wird sich in Zukunft ändern. Bis vor wenigen Wochen waren Automatisierung, große Datenmengen, ultra-flexible Wertschöpfungsketten, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen die leuchtenden Beispiele für besonders innovative Unternehmen. Jetzt sind sie einfach Notwendigkeiten für jedes Unternehmen, das nach mehr Widerstandsfähigkeit strebt.