Blog.Telekom

Nicole Schmidt

0 Kommentare

Grabenkampf: Der Streit um Glasfaser-Leerrohre

Wer seine Glasfaser zu Spottpreisen in die Leerrohre der Konkurrenz schieben könnte, spart den kostenintensiven Tiefbau. Für die ausbauenden Unternehmen würde das aber eine Entwertung ihrer Investitionen und weniger Anreize für neuen Ausbau bedeuten. Deshalb beobachtet die gesamte Telekommunikationsbranche mit Spannung die Umsetzung einer neuen regulatorischen Verpflichtung der Telekom, standardisierten Zugang zu neu gebauten Leerohren anzubieten. 

Ein schmaler und tiefer Graben im Gehweg, in dem Leerrohre verlegt werden.

Der Tiefbau für die Glasfaserverlegung ist aufwändig und teuer. © Deutsche Telekom

Sie haben oft nur ein paar Zentimeter Durchmesser und liegen unter Straßen, Gehwegen und Brücken. Die Rede ist von sogenannten Kabelführungssystemen, besser bekannt als Leerrohren. Hier werden die Glasfaserleitungen eingezogen, die nach Plänen der Politik bis 2030 allen Haushalten in Deutschland zugänglich sein sollen. Genau um diese neu verlegten Leerrohre ist in Teilen der Telekommunikationsbranche jetzt ein Streit entbrannt. Denn zur Zeit laufen bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) Verfahren zur Umsetzung der neuen regulatorischen Verpflichtung für die Telekom, die den standardisierten Zugang zu sogenannten „baulichen Anlagen“ betreffen. Dazu zählen insbesondere Leerrohre, aber auch oberirdische Masten für Glasfaserkabel. Die Telekom hat schon im Juli 2023 ein standardisiertes Angebot dafür vorgelegt.  Aktuell werden die dazugehörigen Preise von der Bundesnetzagentur im Rahmen eines Entgeltgenehmigungsverfahrens bestimmt. Sprich: Es geht ums liebe Geld, und zwar darum, was bezahlt werden muss, wenn ein ausbauendes Unternehmen die Leerrohre der Telekom auf Basis des Standardangebots vom Juli 2023 mitnutzen will.  

Die Absichten derjenigen, die die Konditionen drücken wollen, sind klar: Wer seine Glasfaser zu Spottpreisen in die Rohre der Telekom schieben könnte, spart den kostenintensiven Tiefbau. Schon allein das ergibt einen handfesten wirtschaftlichen Vorteil gegenüber dem ausbauenden Unternehmen. Wer sich dann vielleicht nur noch die lukrativsten Kunden schnappt, spart doppelt, während das investierende Unternehmen in seine teuren Röhren guckt. 

Geschäftspläne für Preisfindung wichtig 

Glasfaserverlegung

Wenn die Preise gedrückt werden, schaut das investierende Unternehmen in die Röhre. © Deutsche Telekom

Die Verpflichtung, Zugang zu Leerrohren zu gewähren, ist nicht neu. Alle Telekommunikationsunternehmen und übrigens auch Versorger sind bereits verpflichtet, im Rahmen des Glasfaserausbaus Zugang zu mitnutzbarer Infrastruktur zu gewähren. Das erfolgt aber auf Basis kommerzieller Vereinbarungen. Die BNetzA greift ausschließlich in Streitfällen als Schlichterin ein, was nicht sehr oft vorkommt. 

Die neue Verpflichtung der Telekom gilt zusätzlichen zu den bisherigen Verpflichtungen. Problematisch wäre es, wenn sich dadurch der teure Bau von Leerrohren nicht mehr rechnen würde. Die Gefahr hierfür ist nicht aus der Luft gegriffen: Denn gerade Investitionen in die letzte Glasfasermeile unter den Bürgersteigen und Straßen rechnen sich nur dann, wenn die Aussicht besteht, sie über eigene Umsätze wieder zu erwirtschaften. Die investierenden Unternehmen berechnen das vorab in ihren jeweiligen Geschäftsplänen. Deswegen sieht das Telekommunikationsgesetz (TKG) ausdrücklich vor, bei der Entgeltfestlegung die Auswirkungen auf den Geschäftsplan zu berücksichtigen.  

In dem laufenden Verfahren hat die Telekom einen Vorschlag vorgelegt, der auch genau das tut - nämlich den Geschäftsplan miteinbezieht. Die beantragten Entgelte bewegen sich dabei in einem Rahmen, den die Branche bei kommerziellen Verhandlungen auch bisher schon abgesteckt hat. Der Vorschlag wird von der Bundesnetzagentur als zuständiger Behörde geprüft. Ergebnis des Verfahrens soll ein Beschluss sein, der für die gesamte Branche fair und investitionssichernd ist. 

Bundesweiter Festpreis für Glasfaser-Leerrohre der Telekom 

Der Zugang zu Leerrohren von Netzbetreibern und Versorgern für den Glasfaserausbau ist durch das Telekommunikationsgesetz reguliert. Die Preise werden dabei zwischen der Eigentümerin des Leerrohrs und dem Unternehmen, das diese für den Glasfaserausbau anfragt, verhandelt. In Streitfällen kann die BNetzA eine bindende Entscheidung für den jeweiligen Einzelfall treffen. So hat sich inzwischen ein Preisniveau etabliert, das in der Branche als fair und angemessen gilt. Dieses Verfahren nach Paragraph 138 des TKG ist seit Jahren etabliert und funktioniert gut. Zu den langjährigen Nutzern gehört beispielsweise auch Vodafone.  

Bei den aktuell diskutierten Entgelten für einen standardisierten Zugang wird nun ein fester bundesweit geltender Preis vorab festgelegt, der regelmäßig von der BNetzA überprüft und angepasst wird.  

Die regulierten Preise der Telekom haben in Deutschland eine wichtige Signalwirkung für den Markt und dienen auch anderen Leerrohr-Anbietern als Orientierungsgröße. Deswegen wartet die ganze Branche mit Spannung auf die Entscheidung der Bundesnetzagentur. Ein erster Entwurf für eine Entscheidung soll demnächst konsultiert werden. 

Auch bei Leerrohren gibt es Äpfel und Birnen  

Bei Leerrohren ist es wie im Leben, auch hier steckt der Teufel im Detail. Sowohl bei kommerziell vereinbarten Preisen als auch bei regulierten Entgelten gibt es sehr viele unterschiedliche Preismodelle. Hinter gegebenenfalls sehr ähnlich klingenden Preisen können sehr unterschiedliche Leistungen stecken. Preise können sich auf einen Meter, Quadratzentimeter oder Kubikzentimeter beziehen oder längenunabhängig für ein Rohr pauschalisiert sein. Die Preise können sich auch je nach Mietdauer oder Volumen unterscheiden. Mit der Mietzahlung können Leistungen abgegolten sein, die in anderen Verträgen möglicherweise noch extra bezahlt werden müssen. Außerdem unterscheiden sich Leerrohre in ihrer Größe und ihrem Zustand. Ein Vergleich einzelner Preise ist daher nicht möglich. Ein valider Preisbenchmark würde eine aufwendige Studie mit genauer Analyse der Leistungen, Kosten und Entgeltstrukturen und auch der Ausbaubedingungen in dem jeweiligen Land erfordern. Woran sich wegen des großen Aufwands bisher noch niemand gewagt hat. Weder in Deutschland und auch nicht in Europa, was wegen noch größerer Unterschiede in puncto Preis, Leistung und Kosten deutlich komplexer wäre. 

Wichtig: Im aktuellen Verfahren geht es auch um die Entgelte für die Leerrohre, die von der Telekom neu für den eigenen Glasfaserausbau verlegt wurden. Dafür hat die Telekom sorgfältig die Kosten und die vom TKG vorgesehenen Auswirkungen auf den Geschäftsplan analysiert. Die darauf beruhenden Entgeltanträge spiegeln, wie schon gesagt, die Marktpreise wider. Die Fachleute der Behörde prüfen den Vorschlag und entscheiden dann über die letztendlichen Entgelte für eine Mitnutzung.  
 
Wie zu erwarten war, gibt es hier auch kritische Stimmen. Beispielsweise erhebt Vodafone nun den Vorwurf, die Telekom würde „Mondpreise“ verlangen und verweist auf deutlich niedrigere Preise in anderen europäischen Ländern. Das ist richtig und falsch zugleich und deshalb unseriös. Es stimmt, dass in einigen anderen Ländern einzelne Entgeltpositionen veröffentlicht werden, die teils niedriger sind als ähnlich klingende Entgeltpositionen aus dem Antrag der Telekom. Allerdings sind Ländervergleiche hier irreführend, denn die Preismodelle, die konkreten Vertragsbedingungen, die Ausbaukosten und die tatsächlich vorhandenen Infrastrukturen sind in den einzelnen Ländern äußerst unterschiedlich. Der von Vodafone hemdsärmelig herangezogene Preisvergleich ist deswegen methodisch völlig unzulänglich.  
 
Ein konkretes Beispiel: Wegen der strengen deutschen Regulierungs- und Bauvorschriften kostet es hierzulande durchschnittlich ca. 1500 Euro, einen Haushalt ans Glasfasernetz anzuschließen. In anderen europäischen Ländern sind es lediglich 300 Euro. Auch weil dort eine Infrastruktur akzeptiert wird, bei der Glasfaserkabel zum Beispiel frei an Hauswänden entlanggeführt werden, statt sie mit teurem Tiefbau in der Erde zu versenken. Ländervergleiche helfen hier also so viel weiter wie der sprichwörtliche Vergleich von Äpfeln und Birnen. Die einschlägigen Beratungsunternehmen verzichten in dieser Frage übrigens auf Länder-Benchmarks, weil eben die Komplexität viel zu groß ist, um einfach platt „Preise Spanien“ neben „Preise Deutschland“ zu stellen.  

Der Mythos vom „geschenkten“ Netz 

Im Grunde hat die Telekom heute zwei Festnetze: Ein älteres kupferbasiertes Netz aus der Zeit vor der Privatisierung der Telekom und ein brandneues Glasfasernetz. Die Leerrohre, um deren Entgeltfindung es aktuell geht, sind vor allem die neuen Infrastrukturen für Glasfaserkabel. Sie werden seit 2006 bundesweit verlegt und umfassen inzwischen 750.000 Kilometer. Sie sind nicht billig und schon gar nicht geschenkt. Das Investment der Telekom in den Glasfaserausbau in Deutschland beträgt mehrere Milliarden Euro. Pro Jahr, wohlgemerkt. Bis 2030 sieht die Telekom hier Investitionen von 30 Milliarden Euro vor. 

Die alten Kabelkanalanlagen des Kupfernetzes sind nur in Einzelfällen für den FTTH-Ausbau nutzbar. Dort, wo das mal der Fall ist und die Anlagen nicht schon komplett belegt sind, können auch alle anderen ausbauenden Unternehmen mitnutzen.  

In diesem Zusammenhang taucht oft der Mythos auf, die Telekom ruhe sich auf einem „geschenkten Kupfernetz“ aus. Trotz vielfacher Wiederholung: Das ist faktisch falsch. Das Kupfernetz ist der Telekom nicht einfach „geschenkt“ worden. Im Gegenteil: Die Telekom hat zum Ausgleich der damaligen Investitionen in das Netz im Zuge der Privatisierung Schulden in Milliardenhöhe übernommen. Ebenso sind die Netzinvestitionen durch den Börsengang der Telekom gut verzinst an den Bund und damit an die Steuerzahler zurückgeflossen. Mit den Investitionen der Telekom ins Glasfasernetz wird den Kunden nun eine modernisierte Telekommunikationstechnik angeboten, die für das steigende Datenaufkommen jetzt und in der Zukunft rüstet.  

Informationen über vorhandene Leerrohre liegen bei BNetzA vor 

Von der Vodafone wurde in der Presse behauptet, dass die Telekom keine Informationen über die Lage ihrer Leerrohre preisgebe. Diese Aussage ist schlicht falsch. Wie allen anderen in der Branche sollte auch Vodafone bekannt sein, dass die Telekom umfangreichen Verpflichtungen unterliegt, um Informationen zu Leerrohren zur Verfügung zu stellen. Unter anderem ist die Telekom im Rahmen der hier diskutierten Verpflichtungen zum Zugang zu baulichen Anlagen dazu verpflichtet, regelmäßig sehr umfangreiche Daten über ihre Leerrohre an die BNetzA zu melden. Die Telekom ist diesen Verpflichtungen vollumfänglich nachgekommen.  

Telekom klagte gegen doppelte Regulierung der Leerrohre

Am 04. März 2024 hat das Verwaltungsgericht Köln eine Klage der Telekom aus dem Juli 2022 abgelehnt. Der Fall bezieht sich auf die Regulierungsverfügung, die Grundlage für die beiden aktuell bei BNetzA laufenden Verfahren (Standardangebot und Entgelte) ist. Sie betrifft die gleiche Infrastruktur wie auch der § 138 TKG (alte und neu gebaute Infrastrukturen). Grundlage sowohl zu den Verpflichtungen zu den Baulichen Anlagen als auch zu § 138 sind zwei unterschiedliche europäische Regelungen. Weil wir als Telekom es völlig überflüssig finden, zwei Regulierungen zum gleichen Sachverhalt zu haben, haben wir dagegen geklagt. Unserer Anregung einer Bürokratiebereinigung ist das Verwaltungsgericht Köln nicht gefolgt und hat nun erst einmal entschieden, dass die Verpflichtungen zu den baulichen Anlagen nicht schon einem Eilverfahren aufgehoben werden sollten.

Damit bleiben wir bis zu einer Entscheidung des Gerichts im Hauptverfahren erst einmal weiter verpflichtet, ein Standardangebot vorzulegen und uns die Entgelte für die Verpflichtung zu den baulichen Anlagen weiter genehmigen zu lassen. Überschriften wie „Telekom wird verdonnert, Konkurrenz auf Kabelkanäle zu lassen“ sind deshalb irreführend, denn auch aktuell ist die Telekom dazu ja bereits verpflichtet. Damit hat sich für uns nichts geändert. Unabhängig davon, dass wir anderer Auffassung sind als die BNetzA, ob die zusätzliche Verpflichtung zu den baulichen Anlagen notwendig ist, kommen wir diesen Verpflichtungen natürlich nach, solange sie nicht vom VG Köln in der Hauptsache aufgehoben werden.

Dachterrasse und Kuppel des Reichstags in Berlin.

Politik und Regulierung

Die Telekom beteiligt sich aktiv an digitalpolitischen Debatten: Verantwortungsvoll, fair und faktenbasiert.

FAQ