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Hubertus Kischkewitz

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Aufbau-Ost: Spaziergang mit einem Zeitzeugen

Hubterus und Peter (v.l.) stehen vor dem Grenzturm Dömitz.

Hubterus und Peter (v.l.) am Grenzturm Dömitz.

Das Netz der DDR war marode und kaputt: Die meisten Haushalte hatte nicht mal Telefonanschluss. Deshalb startete die Bundesregierung 1990 ein Aufbauprogramm.

Mit einem Investitionsvolumen von 60 Milliarden Mark sollte nach der Wiedervereinigung die Telekommunikationsinfrastruktur in den neuen Bundesländern innerhalb von sieben Jahren auf den Stand des Westens gebracht werden. Eine unglaubliche Kraftanstrengung vieler Menschen folgte. Mit dabei war Peter Eisenach – mehr noch: Er war Hauptverantwortlicher für den Mobilfunkpart. Zum Interview traf ich den heutigen Ruheständler vor drei Wochen in Dömitz. Hier war die Elbe Grenzfluss.

Herr Eisenach, waren Sie schon mal in Dömitz?

Nein, es ist das erste Mal. Ich bin zwar auch durch das Aufbau-Projekt viel herumgekommen und  ca. 60.000 Kilometer jährlich gefahren, Dömitz aber kenne ich noch nicht …

Peter Eisenach öffnet eine Autotür.

Peter Eisenach war für den Netzausbau Mobilfunk in Ostdeutschland verantwortlich

Hier verlief die Grenze in der Elbe. Hatten wir hier tatsächlich auch eine scharfe Trennung der Welten in Sachen Technik?

Ja. Die DDR war in Gänze in Sachen Telekommunikation ein Notstandsgebiet. In Sachen öffentlicher Mobilfunk gab es gar nichts. Öffentlicher Mobilfunk war ein Fremdwort. Aus Sicherheitsgründen war er politisch nicht gewollt. Und angesichts der technologischen Voraussetzungen auch nicht machbar gewesen. So standen unter anderem die mikroelektronischen Bauelemente nicht zur Verfügung.

Es gab also nichts, auf dem Sie hätten aufbauen können?

Was die Technik betrifft, Nichts. Für die Infrastruktur konnten natürlich die vorhandenen baulichen Anlagen, Masten und Türme im Rahmen der Möglichkeiten genutzt werden. Der totale Neuanfang hatte aber auch sein Gutes…

…wie meinen Sie das?

Wir haben ein Team aufgestellt, das gemeinsam bei Null angefangen hat. Das hat zusammengeschweißt. Die vielen neuen Kollegen der ehemaligen Deutschen Post hatten ein solide Ausbildung, aber kein fachspezifisches Knowhow, das musste schrittweise erarbeitet werden, Learning bei Doing war angesagt. Aber sie waren voller Tatendrang und suchten die Herausforderung. Die Aussicht auf einen krisensicheren  Arbeitsplatz tat ein Übriges. Außerdem hatten Sie sich eine Eigenschaft bewahrt: Sie hatten in Mangelzeiten gelernt zu improvisieren. Heute würde man sagen: Sie hatten eine hohe Flexibilität bei der Lösung der ihnen übertragenen Aufgaben. Aber ganz im Ernst: Wir hatten für den Aufbau die erforderlichen finanzielle Mittel, die notwendige Technik war verfügbar und wir hatten anfangs viel Unterstützung von den Kollegen aus den alten Bundesländern. Doch entscheidend waren die Menschen vor Ort. Ihr Enthusiasmus, ihr Wille, ihre Eigeninitiative war ein Erfolgsgarant. Ein weiterer Erfolgsgarant war die Tatsache, dass die Aufgaben bei aller Strategie uns all den ausgefeilten Plänen zum Trotz dem Einzelnen noch Entscheidungsspielräume in der Sache ließen. Wer diese nicht hat, der kann sich im Arbeitsprozess seinen nicht frei entfalten und ist mit dem Kopf nicht dabei.

Peter Eisenach betrachtet Übersichten zum Netzausbau.

Peter Eisenach mit Übersichten zum Netzausbau

Beim Spaziergang nähern wir uns einem alten Grenzturm. Er steht noch, doch von den alten Leitungen im Boden ist nicht viel übrig geblieben. Viele Tausend Kilometer wurden neu gelegt. Ein modernes Glasfasernetz aufgebaut. Davon haben auch die Mobilfunker profitiert. Denn die Arbeit ging nur Hand in Hand. So mussten die Basisstationen ja über leistungsfähige Leitungen angeschlossen werden. Peter Eisenach erzählt, das teilweise defekte Strecken auf dem Boden über Satellit umgangen werden mussten. Um 20 Kilometer auf dem Boden zu überbrücken, wurde per Satellit ein hunderte Kilometer langer Umweg über den Weltraum gewählt.

Wie geht man einen Aufbau-Ost, eine solche Mammutaufgabe konkret an?

Zunächst braucht man eine klare Zielstellung eine effiziente Organisation. Doch, wie gesagt, vor  allem braucht man eine schlagkräftige Mannschaft. All das entwickelte sich gut. Nach nur einem halben Jahr waren für den Mobilfunk mehr als 100 Kollegen im Einsatz. Zunächst wurde mit Hochdruck nahezu flächendeckend das C-Netz aufgebaut . Die erste Mobilfunkstation im Osten stand zur Leipziger Messe am 19. März 1990. bereit. Dann arbeiteten wir uns weiter vor: Zunächst kamen weitere große Städte und Ballungszentren wie etwa Berlin, Dresden, Chemnitz, Zwickau und Magdeburg hinzu, dann waren die Autobahnen an der Reihe. Mit jedem Erfolg kam neue Motivation. Die fast vollständige Flächendeckung im C-Netz hatten wir Mitte 1992 erreicht; 80 Prozent der Fläche und 90 Prozent der Bevölkerung waren mit Mobilfunk versorgt.  Ende des Jahres war dann das C Netz vollständig  flächendeckend ausgebaut. Parallel begann der Aufbau des D1-Netzes. Auch hier ging es schnell: Schon 1993 konnten wir über mehr als 1000 Standorte  97 Prozent Bevölkerung erreichen.

Neben den C Netz und dem D1 Netz wurden auch der Ausbau für der Netze Chekker-, City Ruf-, Modacom vorangetrieben um so den Kunden eine Vielzahl von Kommunikationsmöglichkeiten anzubieten.

Zahlen wie diese waren eine wichtige Erfolgskontrolle. Beim Startschuss von Telekom 2000 wurden klare Ziele vorgegeben: 5,7 Millionen Telefonanschlüsse, 70.000 öffentliche Telefonstellen, 90.000 Datenanschlüsse, 96.000 BTX- bzw. Datex-Anschlüsse und 500.000 Mobilfunkanschlüsse. Als Zwischenziel mussten dafür bis Ende 2001 schon 31.000 Leitungen von West nach Ost gelegt werden, um die unerträglichen Zustände im Fernmeldeverkehr zu beseitigen. Die Messlatte lag hoch. Und wurde doch übersprungen. Mittlerweile stehe ich mit Peter Eisenach an einer Sendeanlage im Dömitzer Hafen.

Die Sendeanlage im Dömitzer Hafen.

Die Sendeanlage im Dömitzer Hafen

Die Ziele erreicht und noch Geld gespart. Der Aufbau-Ost hat weniger gekostet, als zunächst veranschlagt.  Statt der 60 Milliarden wurden "nur" 50 investiert. Herr Eisenach, lief denn alles wirklich so reibungslos?

Das kann man wahrlich nicht sagen. Neben dem Wettbewerb mit den anderen Netzbetreibern wie Mannesmann Mobilfunk und e-Plus um Standorte, Gebäuden und baulichen Anlagen wurden die Techniker beim Aufbau der Netzes mit einer völlig neuen Aufgabe konfrontiert. Sie wurden zu Aufklärern.

Sie meinen auf die aufkommende Skepsis in Sachen gesundheitlicher Belastung ?

Ja, die Fragestellungen wurden für uns zur großen Herausforderung. Die Diskussionen wurden mit großer Emotionalität geführt. Wir haben uns dem Dialog mit den Mobilfunkgegnern immer gestellt. Es wurden in Zusammenarbeit mit den Kommunen Vereinbarungen entwickelt, die dazu geführt haben, dass wir grundsätzlich vernünftig miteinander arbeiten konnten. Das war auch deshalb wichtig, weil infolge des Wettbewerbs immer mehr Antennenanlagen in den Städten und Gemeinden sichtbar wurden. Wir wussten: Es ging nur miteinander. Das hat unter anderem auch dazu geführt, dass nicht jeder seine eigenen Antennenmasten aufbaute, sondern die Träger gemeinsam genutzt wurden. Unterm Strich gilt deshalb für mich noch heute: Der Aufbau war eine Herausforderung für alle, die Stärke lag in der konstruktiven Zusammenarbeit bei der Errichtung der erforderlichen Infrastruktur, es war schön dass ich dabei sein konnte.

Peter Eisenach zieht sein Fazit beim Abschluss-Kaffee im Hafenrestaurant. Er packt ein paar Geräte aus, die für die rasante Entwicklung stehen. Zeitzeugnisse, an die er sich offensichtlich gerne erinnert. Die Augen leuchten. Überhaupt: Der Job war wohl anstrengend, aber er hat Eisenach nicht müde gemacht. In diesen Tagen ist er mit Freunden mit dem Rennrad unterwegs. Von Salzburg nach Köln, mit 800 Kilometer in sieben Etappen. Bald wird er 70, Chapeau!

Peter Eisenach präsentiert alte und neue Mobilgeräte.

Mobilfunk von damals: Eisenach und alte Geräte aus der Aufbauzeit

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