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Andreas Kadelke

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„Hass ist ein Geschäftsmodell geworden“

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Es ist ja nicht so, dass im Internet nix los wäre in diesen Tagen. Der Datenskandal um Cambridge Analytica und Facebook führt uns ganz aktuell wieder vor Augen, dass mit den sozialen Medien ganz schön Schindluder getrieben werden kann. Noch ist das Ausmaß dieses Vorfalls nicht klar, in dem die ominösen Data-Analysten von Cambridge Analytica illegal auf Millionen Facebook-Nutzer-Daten zugegriffen haben sollen. Doch die Geschichte zeigt, dass wir mit dem Thema „Zerstören Social Media unsere Gesellschaft?“ unserer jüngsten telegraphen_lounge in Berlin goldrichtig lagen. 

Tabea Rößner, netzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Internet-Soziologe Stephan G. Humer (Institut Fresenius) und Gerald Hensel, Mitgründer des Vereins Fearless Democracy, diskutierten mit Moderator Wolf-Christian Ulrich über diese spannende Frage.

„Sind wir an einem Punkt, an dem wir sagen können, es gefährdet unsere Demokratie?“, fragte Wolf-Christian Ulrich. Gerald Hensels Antwort: „Wir haben angefangen darüber zu reden, dass soziale Medien eine Gefahr für die Demokratie sein können.“ Nach seiner Beobachtung setzte diese Diskussion mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ein. Social Networks haben laut Hensel große Lücken, die auch für Manipulationen genutzt werden können. Doch: „Die Zivilgesellschaft fängt an, Gegenmaßnahmen gegen Manipulationen zu entwickeln“, so Hensel. Zum Beispiel Faktenfinder. 

Diskussionsrunde (v.l.): Gerald Hensel, Tabea Rößner, Stephan G. Humer und Wolf-Christian Ulrich.

Die Diskussionrunde im (spiegelverkehrten Blick) einer Kamera (v.l.): Gerald Hensel, Tabea Rößner, Stephan G. Humer und Wolf-Christian Ulrich.

Das Thema sei in den vergangenen Jahren unterschätzt worden, fand Tabea Rößner. Allerdings sei schon während des so genannten arabischen Frühlings vor einigen Jahren über den Einfluss der sozialen Medien diskutiert worden. Damals nutzten Regimekritiker in einigen arabischen Ländern Social Networks, um ihren Widerstand zu organisieren. Doch es sei auch die Kehrseite zutage getreten. „Wenn Regimekritiker das Netz für ihre Zwecke nutzen können, können Diktaturen das auch“, so Tabea Rößner.

Kulturelle Kompetenz gegen Filterblasen

Das im Zusammenhang mit Radikalisierung im Netz oft genannte Phänomen der Filterblasen - demnach sollen von den Internet-Unternehmen programmierte Algorithmen dafür sorgen, dass Usern fast ausschließlich Inhalte vorgeschlagen werden, für die sich interessieren - dieses Phänomen hält der Inter-Soziologe Stephan G. Humer für nicht so kritisch. Internet-Nutzer hätten viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Dafür benötigen sie aber kulturelle Kompetenz, so Humer.

Nach Ansicht von Tabea Rößner ist „Medienpolitik (…) gefordert, Missbrauch und Manipulation zu verhindern“. Nach ihrer Beobachtung werden Manipulationen online von bestimmten Seiten mit großer Macht vorangetrieben. So seien im Vorfeld der Bundestagwahl in den TV-Talkshows häufig Themen diskutiert worden, die zu der Zeit im Netz heiß liefen.

Die Politikerin plädierte für eine Medienregulierung bei Google, Facebook & Co. Doch es sei schwierig zu definieren, was unter eine solche Regulierung fallen solle. Ziel der Internet-Giganten sei es, Geld zu verdienen, so Rößner. Im Gegensatz dazu hätten klassische Medien zunächst den Auftrag zu informieren.

Stephan Humer sagte, dass Deutschland alleine angesichts der Marktmacht der Unternehmen zu klein sei. „Die EU muss gemeinsam Druck auf die Unternehmen ausüben“, forderte der Wissenschaftler.

"Akzeptieren, dass wir eine Industrialisierung erleben"

Einen weiteren interessanten Aspekt brachte Gerald Hensel in die Diskussion ein: „Man sollte akzeptieren, dass wir gerade eine Industrialisierung erleben.“ Es gebe negative Effekte, „die muss man managen“, so Hensel. „Aber ich bin nach wie vor begeistert von den Möglichkeiten.“ Und dass, obwohl er selbst im Zentrum eines massiven Shitstorms (inklusive zahlreicher Morddrohungen) stand, nachdem er die Initiative #keingeldfürrechts gestartet hatte. Mit dem Verein Fearless Democracy „versuchen wir, durch Datenjournalismus Shitstorms anfassbar zu machen“, so Hensel. Denn die Opfer und auch die Strafverfolgungsbehörden stehen nach seiner Erfahrung einem solchen Hass-Sturm eher hilflos gegenüber. Darum wolle der Verein mit HateAid nun eine Plattform schaffen für Menschen, die in einem solchen Shitstorm stehen – vom Dorfpfarrer bis hin zum Lokalpolitiker.

„Hass“, so Gerald Hensel, „ist ein Geschäftsmodell geworden.“ Es gebe eine Vielzahl von Publizisten und politischen Gruppierungen, die auf diesem Weg ihre politischen Ideen und Inhalte verbreiten und eine Meinung manifestieren wollten. Und Geld sei damit auch zu verdienen.

In der kommenden Woche werden wir das Thema auch in den Netzgeschichten beleuchten und unsere Speaker aus der telegraphen_lounge im Video zu Wort kommen lassen. Im Archivstream könnt Ihr Euch die Veranstaltung auch anschauen. Allerdings hatten wir technische Probleme mit dem Ton, darum setzt der Stream hier erst bei Minute 15 ein. Entschuldigung dafür.

Diskutierten in Berlin (v.l.): Wolf Christian Ulrich, Susann Rüthrich, Simone Rafael, Ulrich Kelber und Lutz Mache

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„Wir alle müssen etwas gegen den digitalen Extremismus tun“

Es wird immer schwieriger, sich im Netz zu bewegen, ohne über Hasskommentare (Neudeutsch: Hatespeech) zu stolpern oder gar über mehr oder weniger verklausulierte Aufrufe zu Gewalt. Extremisten aller Art – Islamisten, Neonazis, Terroristen -  verbreiten ihre Propaganda, verabreden sich in dunklen Ecken des Netzes zu Straftaten, kurz: missbrauchen das Internet für ihre Zwecke. Müssen wir da tatenlos zusehen oder können wir dagegen vorgehen? Diese Fragen haben wir gestellt in unserer telegraphen_lounge „Digitaler Extremismus: Verkommt das Netz zur Hass-Plattform?“

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