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Andreas Kadelke

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„Wir alle müssen etwas gegen den digitalen Extremismus tun“

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Es wird immer schwieriger, sich im Netz zu bewegen, ohne über Hasskommentare (Neudeutsch: Hatespeech) zu stolpern oder gar über mehr oder weniger verklausulierte Aufrufe zu Gewalt. 

Extremisten aller Art – Islamisten, Neonazis, Terroristen -  verbreiten ihre Propaganda, verabreden sich in dunklen Ecken des Netzes zu Straftaten, kurz: missbrauchen das Internet für ihre Zwecke. Müssen wir da tatenlos zusehen oder können wir dagegen vorgehen? Diese Fragen haben wir gestellt auf unserer telegraphen_lounge „Digitaler Extremismus: Verkommt das Netz zur Hass-Plattform?“ Experten auf dem Podium waren die SPD-Bundestagsabgeordnete Susann Rüthrich, die Journalistin Simone Rafael, die unter anderem die Initiative Netz gegen Nazis betreut, Ulrich Kelber, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), und Lutz Mache aus dem Google-Hauptstadtbüro.

Das Justizministerium hatte im vergangenen Herbst die „Task-Force zum Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ ins Leben gerufen. Deren Ziel: Rechtswidrige Botschaften möglichst schnell aus dem Netz entfernen und ihre Urheber verfolgen. Ulrich Kelber sieht dabei die Plattformbetreiber wie Google oder Facebook in der Verantwortung. Zwar habe sich dort bereits einiges bewegt. Aber die Betreiber kommen laut Kelber ihrer Zusage, kritische Inhalte binnen 24 Stunden zu prüfen und gegebenenfalls zu löschen, noch nicht ausreichend nach. „Es geht hier um Straftaten, nicht um politisch unliebsame Botschaften“, stellte Kelber klar.

Lutz Mache wies darauf hin, dass Google zahlreiche Mitarbeiter beschäftige, die rund um die Uhr eingehende Missbrauchsmeldungen prüfen. Angesichts von rund 400 Stunden Videomaterial, das pro Minute allein bei YouTube hochgeladen werde, sei dies allerdings auch eine große Aufgabe. Das Angebot, fragwürdige Inhalte über ein Tool zu melden, werde von Organisationen und Bürgern immer mehr genutzt, berichtete Mache. Für die Plattformbetreiber sei es aber oft ein schmaler Grat zu entscheiden, was zulässig oder unzulässig sei. Als Beispiel nannte er das Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Solle die Entscheidung darüber, ob so ein Gedicht noch zulässig sei, bei den Plattformbetreibern liegen?

Diskutierten in Berlin (v.l.): Wolf Christian Ulrich, Susann Rüthrich, Simone Rafael, Ulrich Kelber und Lutz Mache

Diskutierten in Berlin (v.l.): Wolf Christian Ulrich, Susann Rüthrich, Simone Rafael, Ulrich Kelber und Lutz Mache

„Das Internet ist kein Raum, in dem nur einzelne Akteure etwas unternehmen können“, sagte Simone Rafael. „Wir müssen alle etwas tun.“ Sie hält es für besonders bedenklich, dass Menschen im Netz mittlerweile sogar unter ihrem Klarnamen hetzen. Sie fürchten laut Rafael keine negative Folgen mehr. Unter anderem, weil sie viele Unterstützer im Netz finden. Aber auch, weil sie sich durch die so genannte Filterbubble gestärkt sehen – also den Effekt, dass Suchalgorithmen den Menschen, die im Netz etwas suchen, weitere ähnliche Inhalte vorschlagen. Gerade im Zusammenhang mit Extremismus ein gefährlicher Effekt, denn: „Menschen, die beginnen sich zu radikalisieren, finden so Selbstbestätigung“, sagte Ulrich Kelber. Aus diesem Grund, pflichtete ihm Susann Rüthrich bei, müssten Jemandem, der „Einschlägiges“ sucht, auch andere – entgegengesetzte – Inhalte angezeigt werden.

„Es gefällt mir nicht, dass man heutzutage ein dickes Fell haben muss, wenn man sich engagiert und Courage zeigt“, sagte Rüthrich. „Wir müssen Menschen, die helfen, unterstützen!“ Das Netz sei mittlerweile häufig Ausgangspunkt für reale Gewalt. Als Beispiel nannte sie die sächsische Kleinstadt Freital. Anschläge und kriminelle Handlungen dort „hatten ihren Ursprung in der digitalen Community“, so Rüthrich.

Gefragt, was der Staat gegen den digitalen Extremismus tun könne, antwortete Ulrich Kelber, die Justiz müsse fit gemacht werden. Durch mehr Personal, wie das bereits in einige Bundesländern geschehen sei. Durch Stärkung der Behörden wie zum Beispiel der Generalbundesanwaltschaft. Aber auch dadurch, in den Gerichten mehr Bewusstsein für diese Themen zu schaffen, das oftmals noch nicht ausreichend vorhanden sei.

Simone Rafael sprach sich in diesem Zusammenhang für die Einführung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften oder –polizeistellen aus. Also spezielle Ermittlungsbehörden, die sich in diesem Themengebiet besonders gut auskennen und so effektiv handeln können. Die aktuellen Gesetze seien völlig ausreichend. Sie müssten nur konsequent genug angewendet werden.

Ein weiterer Punkt, den verschiedene Redner ansprachen, war das Thema Medienkompetenz. Viel zu viele Menschen glauben einfach, was sie im Netz sehen oder lesen – ohne es zu hinterfragen. Auch das sei ein Nährboden für Hass und Extremismus. Menschen, die Inhalte aus dem Netz einordnen können oder sie zumindest hinterfragen, sind nicht so anfällig für die Parolen der digitalen Brandstifter. Und sie können sich besser zur Wehr setzen und für die richtigen Dinge eintreten. Denn, so Simone Rafael: „Ohne eine aktive digitale Zivilgesellschaft geht es nicht.“

Wer sich die wirklich interessante Diskussion noch anschauen möchte, kann dies im eingebetteten Archivstream tun. Und in der kommenden Woche werden wir das Thema auch in unseren Netzgeschichten auf YouTube aufgreifen.

Ein Stiefel tritt auf ein Tablet

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Mann und Frau im gemeinsamen Gespräch

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Integration: Digitale Angebote helfen, aber der menschliche Kontakt ist wichtig

Ok, als ich mich zum ersten Mal mit dem Thema Digitale Integration auseinandergesetzt habe, dachte ich an Smartphones, an Apps, an Internetseiten. Fertig. Aber dann haben wir für unsere Netzgeschichten gedreht und ich war beim telegraphen_lunch "Integration 2.0 - Welche Beiträge leistet die Digitalisierung?". Dabei wurde mir schnell klar: Das Thema hat sehr viel mehr spannende Aspekte. Und es dreht sich nicht nur um Bits und Bytes, sondern um Menschen.

Um Menschen wie Ammar Joukhaji und Ammar Alhousaini zum Beispiel. Zwei junge Männer, die vor dem Krieg in ihrer Heimat Syrien geflüchtet sind. Beide lernen an der ReDI School of Digital Integration in Berlin programmieren.

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