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Luisa Vollmar

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Post Privacy: Handele so, als würden Dir die Kunden immer auf die Finger schauen

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Post Privacy, also der völlige Verlust der Privatsphäre im Netz, ist ein viel diskutiertes Thema , nicht nur in der Netzgemeinde. Die einen nehmen es hin, als unvermeidbare Begleiterscheinung der voranschreitenden Digitalisierung. 

Für andere  ist es der absolute Horror. Trotz informationeller Selbstbestimmung und verstärkter Datenschutzregeln halten sie aus Angst vor Missbrauch ihre Daten lieber ganz aus dem Netz heraus. Doch bei Post Privacy geht es ja nicht nur um die Sicht und Betroffenheit von Privatpersonen. Was bedeutet der Verlust der digitalen Privatsphäre eigentlich für Unternehmen? Ist es Risiko oder Chance, wenn auch Organisationen immer transparenter werden? Die wirtschaftliche Seite sollte man auch diskutieren, haben wir uns gedacht, und zum telegraphen_lunch mit Frederick Richter, Vorstand der Stiftung Datenschutz, und Michael Seemann, Autor und Blogger, eingeladen. Thema: Post Privacy – Ist Datenschutz das neue Geschäftsmodell?

„Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist im bundesdeutschen Recht das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen“, so ist es auf Wikipedia beschrieben. Als „ausgeübte Selbstbestimmung“ versteht Frederick Richter allerdings eher, so wenig Daten wie möglich ins Netz zu stellen. „Über mich finden sie weniger im Netz. Da ich nicht zur digitalen Generation gehöre, habe ich bisher wenig ins Netz getan.“ Was natürlich nicht verhindere, dass andere im Netz über einen sprechen. Oder einen einfach auf Facebook markieren. Darüber habe man keine Kontrolle, so Richter. Aber Datensparsamkeit helfe ein wenig.

Was seiner Meinung nach nicht viel dabei helfen werde, sich weniger Sorgen um seine Daten im Netz zu machen,  sei das Kippen des Safe Harbor Abkommens – wenngleich dieses zunächst als Paukenschlag gefeiert wurde. Diese Vereinbarung sei eher als „eine Beruhigungspille für Europa" anzusehen. Auch Michael Seemann glaubt nicht, dass sich etwas ändern wird. Praktizierter Datenschutz heiße im Grunde nur, eine Zustimmung vom Nutzer einzuholen. Dann sei alles ok. Künftig „dürfen wir alle einmal mehr klicken, dann ist alles gut“. Safe Harbor sei daher „kein Schlag vor den Bug der Geheimdienste“. Insofern erscheint es für Seemann, anders als für Richter, nicht unbedingt ein Plus für Unternehmen, Server in der EU zu haben, statt Daten über die USA zu routen.

„Was sind denn die Vorteile von Post Privacy“, wollte Moderator Volker Wieprecht von unseren Impulsgebern wissen. Michael Seemann versteht Post Privacy so: „Dass man die Grundhaltung im Internet einnimmt, dass Daten im Netz einfach öffentlich sind. Und die Wahrscheinlichkeit steigt, auch wegen der Weiterentwicklung der Technik.“ Mit Kontrollverlust müsse man einfach umgehen können. Das heiße aber nicht, dass Unternehmen nicht in Datenschutz und Datensicherheit investieren sollten, so Seemann. Sie sollten aber auch auf den Fall vorbereitet sein,  dass es nicht klappt. Er selbst beschäftigt sich übrigens auf seinem Blog „CTRL-Verlust“ mit dem Kontrollverlust im digitalen Raum und wie man darauf reagieren kann.

Wie können Unternehmen Post Privacy nun als Strategie, als Ethik einsetzen, wollte Wieprecht wissen. Michael Seemanns Vorschlag: „Handele so, als würden Dir die Kunden immer auf die Finger schauen.“ VW hätte das seiner Ansicht nach auch geholfen. Denn im Fall der Fälle würde es Unternehmen nicht so auf die Füße fallen, wenn sie vorher transparent agiert hätten. Wichtig sei das Vertrauen der Kunden. Auch das sei eine Strategie für Unternehmen. „Wie kann ich dafür sorgen, dass Nutzer mir vertrauen“, das sollten sich Firmen laut Seemann fragen. Transparenz sei hierbei der Schlüssel. „Zeige den Kunden, was für Daten Du hast, wo die Daten sind und was Du damit machst“. Auch der Staat könne etwas für Vertrauen tun, indem er endlich Zertifizierungen einführen würde, erinnerte Frederick Richter.

„Kann Datenschutz nun ein Geschäftsmodell sein oder nicht?“, kam Volker Wieprecht zurück auf das Thema unseres telegraphen_lunches. Früher hätte es diesen ja „frei Haus“ gegeben. Frederick Richter erinnerte daran, dass es nicht neu sei, mit Daten zu bezahlen. „Das kennen wir schon aus dem Offline-Zeitalter. Es war nur weniger transparent.“ Die Trennlinie zu Geschäftsmodellen  verlaufe seiner Meinung nach dort, wo der Kunde mit seinen Daten bezahlt, also etwas für seine Daten bekommt. Und auch der Staat würde hier eifrig mitmischen – so bislang zum Beispiel die Einwohnermeldeämter.

Seemann brachte Apple und Goolge aufs Tapet, um zu demonstrieren, wie unterschiedlich Unternehmen mit den Daten ihrer Kunden umgehen. Beispiel: Internet of Things. Man könne lokal und direkt vernetzen, das versuche Apple, während Google alles übers Internet und die Cloud route. Weniger sicher, allerdings auch einfacher. Ohnehin seien Produkte, die sehr datenfreundlich seien, oft nicht besonders Nutzerfreundlich, so Seemann. Es kommt also darauf an, was der Kunde will. Bequemlichkeit  oder Datensicherheit. In beide Richtungen gibt es Geschäftsmodelle.

Auch Richter sieht Datenschutz als Wettbewerbsfaktor. Dass es einen Markt für Datenschutz gibt, schlussfolgert er daraus, dass die Supermarkt-Kette Kaiser‘s beispielsweise eine anonyme Kundenkarte anbiete. Dies täten sie nicht, wenn es nicht auch eine Nachfrage dafür gäbe. Und auch einige Startups würden sich in dem Thema engagieren.

Am Ende hilft wahrscheinlich nur eine Kombination aus „Datensparsamkeit“, wie es Fredrick Richter nannte, und einer gewissen Gelassenheit, was einen unvermeidbaren Kontrollverlust angeht. Die Einführung der Schreibmaschine beim NSA Untersuchungsausschuss sei auch nicht die Lösung, flachste Richter.

Wer noch einmal einen Blick aufs Thema werfen will, dem liefern wir nächste Woche, wie gewohnt am Donnerstag, eine Netzgeschichte auf YouTube zum Thema Post Privacy.

Update: Unsere Netzgeschichte ist jetzt im Netz!

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