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Luisa Vollmar

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„Jedes Gehirn denkt, solange es lebt“

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„Die Störche kommen gerade  wieder aus der Winterpause. 10.000 Kilometer sind sie unterwegs und finden den Weg von ganz alleine genau dahin, wo sie hin wollen. Die Menschen hingegen sind meist noch nicht mal in der Lage, den nächsten Supermarkt ohne Navi zu finden.“

Seit Smartphones und Computer zu externen Festplatten für unsere Köpfe geworden sind, weiß kaum noch jemand die Telefonnummer seiner Lieben auswendig und die meisten schalten selbst beim Weg zum Supermarkt das Navi ein. Das Internet der Dinge mag diesen Trend noch verstärken. „50 Milliarden Geräte sollen bis 2020 miteinander vernetzt sein, miteinander denken, für uns mitdenken und an uns vorbeidenken, aber hoffentlich auch mit uns gemeinsam denken“, schloss Moderator Wolf-Christian Ulrich bei der telegraphen_lounge „Generation digital – verlernen wir das Denken?“ an sein Störche-Beispiel an. Wir haben mit Experten darüber diskutiert, ob unser Gehirn 4.0 dadurch Schaden nimmt, wenn Geräte immer mehr für uns denken, wir also durch die Digitalisierung verblöden.  

Bundestagsabgeordneter Gerold Reichenbach,  stellvertretender  Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda, glaubt nicht, „dass wir das Denken abgewöhnt bekommen“. Es gäbe viele Dinge, die wir heute nicht mehr tun, die wir früher einmal gemacht hätten, erinnerte der SPD-Politiker. Wir seien beispielsweise keine Fährtenleser mehr und das Wetter könnten wir auch nicht mehr selbst vorhersagen. Die neue Gesellschaft mit Denkassistenten habe neue Herausforderungen, mit denen sie sich auseinander setzten müsse. Das seien nicht mehr die des Jäger und Sammlers. „Die entscheidende Frage ist, ob wir weiter selbst denken, oder ob wir uns nur auf Geräte verlassen“, so Reichenbach.

„Alles, was wir im Alltag  verwenden, ist schon mächtig digitalisiert“, darauf machte Dr. Sven Sebastian, Leiter des Proventika-Instituts für angewandte Hirnforschung, aufmerksam. Um nun herauszufinden, welchen Einfluss das auf uns hat, riet Dr. Sebastian, diese digitalen Hilfsmittel einmal wegzulassen. So könne man sehen, wie das Gehirn damit klar käme, nicht digitalisiert zu sein. Dann zeige sich eventuell digitale Demenz oder Sucht, die negativen Seiten der Digitalisierung. Diese könnten wiederum zu Stress führen und zur Ausschüttung von Stresshormonen, die das Gehirn zerstören könnten. Wer zu viel digital unterwegs sei, dem könne zudem die Emotionalität verloren gehen. Dies sei insbesondere eine Herausforderung der Digitalisierung. Eine digitale Katze sei eben kalt und das merke das Gehirn, so der Hirnforscher.

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Diskutierten über die "Generation digital" (v.l.): Wolf Christian Ulrich, Patrick Weissert, Sven Sebastian und Gerold Reichenbach.

​​​​​​​Ebenfalls verlieren könnten wir lebensnotwendige Erfahrungen, je mehr wir uns auf digitale Hilfsmittel verlassen würden. Das könnte uns im Falle eines Systemausfalls in Schwierigkeiten bringen. Doch Gerold Reichenbach erinnerte daran, dass wir auch ohne Digitalisierung in der Evolution immer eine Veränderung dessen hätten, was lebensnotwendige Erfahrungen seien. „Sie spazieren heute durch den Wald und brauchen nicht mehr die Erfahrung, einen gefährlichen Bär zu erkennen und zu wissen wie sie abhauen müssen“, so Reichenbach.

Um sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob unsere Nachfahren durch die Digitalisierung anders denken würden als wir, müsse man sich anschauen, was Denken überhaupt sei, riet Dr. Sebastian. Es sei eine Informationsverarbeitung, die uns helfe, durch den Alltag zu kommen. Die Neurowissenschaft sage uns: „Jedes Gehirn denkt, solange es lebt und atmet und funktioniert. Das macht es den ganzen Tag. Und das wird es auch immer tun.“ Seiner Meinung nach würden wir uns denkend adaptieren und bräuchten deswegen keine Angst zu haben.

Auf die Frage, wie künstliche Intelligenz uns denn nun wirklich voran bringen würde, antwortete Patrick Weissert, dass die Erwartungen an künstliche Intelligenz (KI) noch viel zu hoch seien. „KI  macht in der Regel für den Mensch ganz einfache Tätigkeiten, wie ein Meeting planen, oder extrem große Datenmengen verarbeiten, was der Mensch in der Form noch nie konnte“, sagte der Gründer und Chief Product Officer von German Autolabs. Sein Startup arbeitet an einem künstlichen, auf KI basierenden Beifahrer. Die Erwartungen müsse man daher korrigieren, gerade beim autonomen Fahren. Die Technologie sei noch nicht reif für den Einsatz, würde aber so verkauft. „Das war auch früher so bei Dampfmaschinen. Die sind reihenweise explodiert“, erinnerte er die Zuhörer.

Paradox: je automatischer Sachen liefen, um so mehr bräuchte es das menschliche Gehirn, bestätigte Dr. Sebastian. KI sei zunächst das Ergebnis menschlichen Denkens und brauche dann den Mensch, der die Regeln und Normen für den Einsatz von KI aufrecht erhalte. Menschliche Intelligenz bleibt also ein wichtiger Bedarf.

Die ganze Diskussion gibt es wie immer im Archivstream. Und am Donnerstag, 13. April, drehen sich auch die Netzgeschichten um die Generation digital, mit Beiträgen der Experten von der telegraphen_lounge.




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Experten diskutieren über Chancen und Risiken der Digitalisierung.

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