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Nicole Schmidt

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eSport – Lorbeerkranz für Zombiekampf?

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Kurzer Einstiegstest: Welche Bilder erscheinen dem geneigten Leser/der geneigten Leserin im Kopfkino beim Stichwort „Sport“? Artistische Fallrückzieher beim Fußball, kraftvolle Hechtsprünge beim Tennis oder vielleicht ein vierfach gesprungener Rittberger beim Eiskunstlauf? Und jetzt den gleichen Test bitte zum Stichwort „eSport“. Na…? Etwa noch keine Bilder dazu im Kopf? Dann wird es aber Zeit sich ein Bild zu machen, denn mittlerweile mehren sich die Stimmen, die auch für eSport eine Aufnahme in die staatlichen Sportförderprogramme verlangen. Was wiederum bei den Anhängern des „klassischen“ Sports mindestens zu Stirnrunzeln führt. Ein guter Grund, dem Thema in unserer telegraphen-Reihe unter dem Titel „eSport in Deutschland – Aus dem Kinderzimmer nach Olympia?“ nachzugehen.

v.l.n.r. Moderator Volker Wieprecht, Michael Liebe, Hendrik Ruhe, Johannes Steiniger und Christian Sachs

v.l.n.r. Moderator Volker Wieprecht, Michael Liebe, Hendrik Ruhe, Johannes Steiniger und Christian Sachs.

Sport lebt vom Wettkampf und Vergleichen. Und in diesem Sinne war auch das Podium der telegraphen_lounge gut bestückt. Johannes Steiniger, Mitglied des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, Michael Liebe, Erfinder der Games Week Berlin, Hendrik Ruhe, CEO INSTINCT 3 und Christian Sachs, Leiter des Hauptstadtbüros des Deutschen Olympischen Sportbundes lieferten sich als Diskutanten vom Start weg einen heißen, aber fairen verbalen Wettbewerb.

Gleich zum Anfang verweist Michael Liebe mit Zahlen auf die Dimension des Themas: 2017 hat die eSport-Branche drei Milliarden Euro in Deutschland umgesetzt, 50 Prozent der Deutschen spielen regelmäßig, quer durch alle Altersgruppen. „eSport ist kein Kinderkram, sondern ein Massenphänomen.“ Er macht auch darauf aufmerksam, dass Gamingangebote nicht nur sinnfreies Daddeln sind. „In der aktuellen Ausgabe von Civilization spielen zum Beispiel Umweltthemen eine wichtige Rolle. So fließen aktuelle gesellschaftliche Strömungen ein.“

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Für die Akzeptanz von eSport sieht Hendrik Ruhe Strukturen als hilfreich an. „Wir sollten eSport in regionale Strukturen einfügen, um in Vereinen professionell zwischen Bildschirmzeit und Bewegungssport auszubalancieren. Dafür ist eine Anerkennung als Sport wichtig.“ Doch darin liegt gleichzeitig auch ein Problem, auf das Johannes Steiniger hinweist. „Im Moment ist es für einen Verein nicht einfach, eine eSport-Abteilung aufzubauen, ohne dabei den Status der Gemeinnützigkeit zu verlieren. Dabei wäre es eine gute Möglichkeit, neue Mitglieder in die Vereine zu bringen und die Kinder dort professionell und pädagogisch zu begleiten.“

Über der Diskussion schwebte die Gretchenfrage: Sind Daddeln, Strategiespiele, Zombieschlachten & FIFA Sport oder nicht Sport? Hendrik Ruhe gibt zu, beim Zocken nicht aus der Puste zu kommen, aber es ist für ihn dann Sport, wenn „ich es professionell betreibe und davon leben kann.“ Für Johannes Steiniger hat „nicht das Daddeln, aber das wettkampfmäßige Spielen einen sportlichen Charakter.“ Christian Sachs, als olympischer Vertreter in der Runde, sieht einen Teil des Phänomens wie FIFA oder eSoccer als sportnah an. „eGaming, bei dem die Attraktivität der Spiele nur im Exekutieren von Gegnern liegt, gestehen wir keinen Sportstatus zu. Das ist außerhalb unseres Wertekanons.“ Diese Einschätzung traf auf Widerspruch. Hendrik Liebe warnte vor einer Zwei-Klassengesellschaft mit akzeptierten und nichtakzeptierten Spiele. Für Johannes Steiniger haben ein eher akzeptiertes FIFA-Spiel und ein nicht akzeptiertes Counterstrike-Spiel mehr miteinander zu tun als FIFA und „echter“ Fußball. Doch Christian Sachse warnte vor Etikettenschwindel. „Wir hatten in Deutschland schon einmal eine Killerspiel-Debatte. Daraufhin waren diese Spiele schnell gesellschaftlich geächtet. Schlaue Marketing-Strategen haben sich dann überlegt, das Label ‚eSport‘ draufzukleben, um wieder Akzeptanz zu gewinnen.“

Michael Liebe machte darauf aufmerksam, dass das Spiel Counterstrike mit all seinem Zubehör nur von einer Firma angeboten wird und es anders als beim Fußball keine verschiedenen Hersteller von z.B. Trikots, Bällen, Schuhen oder Tornetzen gibt. „Counterstrike hat keine Wettbewerber. Mit einer Förderung stützten wir genau diese eine Firma. Das finde ich schwierig.“ Doch hier erinnert Johannes Steiniger daran, dass bereits ein 50-Millionen-Euro-Fonds für die Entwicklung von deutschen eSport-Angeboten aufgelegt wurde.

Eine fachkundige Zuschauerin sprach sich für die Integration von eSport in Vereinen aus und regte eine Übungsleiter-Lizenz für eSport an. Diese könnte den Vereinen als Qualitätssiegel dienen und und auch das wichtige Thema Suchtprävention beinhalten. “Auch beim eSport gilt: Die Dosis macht das Gift“, sagte Hendrik Ruhe. Wie wahr. In diesem Sinne: Auf die Plätze, fertig – klick!

Getreu dem olympischen Motto „Dabei sein ist alles“ bieten wir die komplette Diskussion der telegraphen_lounge im Nachgang in unserem aufgezeichneten Livestream. Und auch eine der nächsten Ausgaben unserer Netzgeschichten wird das Thema eSport noch einmal unter die Lupe nehmen.

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