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Interview mit Eyal Balicer, ehemaliger Leiter des Bereichs Forschung und Analyse im National Cyber Bureau in Israel

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Die enge Beziehung zwischen Militär, Wirtschaft und Geheimdiensten wird in Israel sehr positiv wahrgenommen, während sie in Deutschland für negative Schlagzeilen sorgt. Wo sehen Sie Vorteile des israelischen Ansatzes und was könnte Deutschland in dieser Beziehung von Israel lernen?

Die israelische Verteidigungsstreitkräfte (IDF), also die Armee, gab es schon lange bevor Cybersicherheit auch nur ein Thema war. Ihre Hauptaufgabe be-stand eigentlich darin, andere Bedrohungen als Cyberangriffe abzuwehren - aber de facto steht sie uns (Anmerkung der Redaktion: National Cyber Bureau) zur Verfügung. Sie fungiert als eine Art organischer Filter, der das israelische Cyber-Ökosystem als Ganzes unterstützt. Da für alle 18-Jährigen in Israel Wehrpflicht besteht, haben wir die Möglichkeit, uns die besten, aufgewecktesten jungen Leute heraus zu suchen, sie in der modernsten Technik auszubilden, mit weitreichender Verantwortung auszustatten und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich an Herausforderungen zu bewähren, denen sie im Zivilleben niemals begegnen würden. Damit schaffen wir einen fruchtbaren Boden, auf dem sie wachsen und gedeihen können. Ihren Weg können sie dann anschließend in der Wissenschaft, in der Wirtschaft oder in anderen Bereichen erfolgreich fortsetzen. Daher ist die Armee in puncto Cybersicherheit ein guter Ausgangspunkt für sie. 

Kommen wir jetzt vom großen Ganzen zum Persönlicheren: Sehen Sie kulturelle Unterschiede zwischen Israel und Deutschland, wenn es um Innovationen wie Smart-Home-Produkte oder selbstfahrende Autos geht? Haben die Menschen in Israel Angst vor solchen Produkten, weil mit ihnen sozusagen die Cyberwelt ins Haus kommt?

Nun, die Israelis sind prinzipiell sehr sicherheitsorientiert, von daher denke ich, dass die Menschen sensibilisiert sind für die Sicherheitslücken, die mit diesen Produkte verbunden sind. Aber ich glaube, dass es auch gewisse Ähnlichkeiten zwischen Israelis und Deutschen gibt: Die Zivilbevölkerung, die ganz normale Bevölkerung, muss erst einmal verstehen, dass diese Produkte auch Sicherheitslücken haben und dass Sicherheit wichtiger ist als bequeme Handhabung. Erst wenn diese Erkenntnis wirklich bis zu den einzelnen Verbrauchern durchgedrungen ist und von ihnen angenommen wird, werden auch die Hersteller ernsthaft darauf reagieren. Daher müssen wir eine breite Akzeptanz für diese Erkenntnis schaffen. Später werden die Hersteller dann wohl darauf reagieren.  

Für viele dieser Innovationen sind große Datenmengen - Big Data - erforderlich. In Europa sind wir eher sehr vorsichtig oder sogar übervorsichtig mit unseren Daten und haben eine Menge Datenschutzvorschriften. Wie gehen Sie in Israel damit um? Wie ist Ihre Innovationskultur?

Wir haben ja schon gesagt, dass uns die Bedeutung des Datenschutzes be-wusst ist, gerade in dieser technikgesteuerten Welt, wo es das Internet der Dinge gibt. Selbst aus Informationen, die bisher als nebensächlich galten, weil es nur kleine Informationsfetzen sind, entstehen in der Gesamtsumme durch Aggregation und Integration sehr persönliche Einblicke in das Leben eines Menschen, seine Gewohnheiten und sein Umfeld. Daher ist es enorm wichtig, dass wir neue Regeln und Standards so gestalten, dass wir die Menschen schützen können. In Israel ist es, denke ich, ähnlich wie in anderen Ländern auch. Einerseits wollen wir unsere Bevölkerung schützen, andererseits wollen wir das Innovationspotenzial unserer Unternehmen und unserer Wirtschaft nicht behindern oder einschränken. Daher ist es unerlässlich, dass wir den Weg für wirtschaftliche Innovationen frei machen und neue, innovative Best-of-Breed-Lösungen schaffen, ohne solche Zukunftsentwicklungen zu behindern. 

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