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Luisa Vollmar

Das Telefonbuch: Vom Buch der 99 Narren zum Bestseller

Über 100 Jahre alt und immer noch gefragt. Da geht es dem Telefonbuch wie Johannes Heesters. Es hat mit gerade 130 Jahren nur ein bisschen mehr auf dem Buckel und genießt sehr wahrscheinlich einen noch höheren Bekanntheitsgrad.

Das erste, schon damals kostenlose „Fernsprechbuch“ erschien am 14. Juli 1881 in Berlin. Damals hieß es „Verzeichnis der bei der Fernsprecheinrichtung Beteiligten“ und hatte rund 180 Einträge. Wählte man die Nummer 18, so landete man laut Eintrag zum Beispiel in der Fischbein- und Rohrfabrik von Herrn Isaac. Der Volksmund nannte es damals „Buch der 99 Narren“, weil man die Berliner Geschäftsleute, die die Vorteile des Fernsprechers zuerst erkannten, für Narren hielt und sich die Mehrheit der Bevölkerung damals nicht vorstellen konnte, dass sich das Telefon zum Massenmedium entwickeln würde.

Doch das tat es. Das zweite Berliner Telefonbuch verzeichnete bereits 579 Anschlüsse. Der Rest ist Geschichte. Zu Beginn waren es vorwiegend Geschäftsleute, die einen Fernsprecher besaßen und das Telefonbuch war ausschließlich Hilfsmittel zum Telefonieren. Neben Telefonnummern beinhaltet die Telefonbuchausgabe 1927 zum Beispiel auch eine ausführliche Anleitung zum Telefonieren, sowohl für handvermittelte als auch für selbst gewählte Verbindungen. Seit 1981 heißt das Telefonbuch übrigens „Telefonbuch“. Damals wurde es privatisiert.

Das Telefonbuch und alle damit in Verbindung stehenden Aufwendungen werden übrigens ausschließlich durch Werbung finanziert. Das tut es nahezu sein Leben lang. Als erste hatten 1886 die Münchner die Werbemöglichkeiten im Branchenteil erkannt, mit der Werbung für diese Eintragungen einen Privatverlag beauftragt und sich so finanziell entlastet.

Ich bin schon vor vielen Jahren aus der originären Zielgruppe des analogen Telefonbuch gefallen, aber viele Deutschen scheinen sich immer noch zu freuen, wenn eins der aktuell ca. 28. Millionen Exemplare in der neuesten Auflage druckfrisch ins Haus flattert. Laut der aktuellen Nutzerstudie des unabhängigen Fachverbandes Verband Deutscher Auskunfts- und Verzeichnismedien (VDAV) nutzen 77 Prozent der Bundesbürger die gedruckten Verzeichnismedien. Und sei es weil sich aus den Seiten so schönes Pappmaschee zum Basteln herstellen lässt (Tipp einer Kollegin…). Basteln steht bei mir selten auf dem Tagesplan und Telefonnummern mache ich digital ausfindig. Seit 1997 ist das Telefonbuch nämlich auch im Netz vertreten. Viele Bundesbürger tun es mir in diesem Punkt gleich. Laut IVW wurden alleine im Jahr 2010 online 225 Millionen Besuche (Visits) gezählt und mehr als 1 Milliarde Seitenaufrufe generiert.

2002 gab es dann mit der ersten WAP Lösung fürs Handy das mobile Telefonbuch für die Hosentasche. Neuerdings gibt es die Enzyklopädie der Telefonnummern natürlich auch auf dem Smartphone. Apps ermöglichen eine schnelle und unkomplizierte Recherche. Und ich kann die gefundenen Kontakte direkt weiterverarbeiten und anrufen. Ist bei meinem schusseligen Naturell auch sicherer. Ich würde bei der Suche im Telefonbuch sicher Herrn Müller 1 und Herrn Müller 3 erstmal anrufen, bevor ich mit dem Lineal den Wunschkandidaten markiert habe und Müller 2 an die Strippe kriege ;-) Im Juli 2011 lag die Zahl der runtergeladenen Telefonbuch-Apps übrigens schon bei 1 Million.

Trotz Internet und Apps suchen zwei Drittel der Online-Nutzer auch weiterhin komplementär im Buch. Für viele ist es die erste Anlaufstelle, da sie sich in dem vertrauten Medium schnell und einfach einen Überblick verschaffen oder die Suche im Internet nicht mögen.

Das hat mich überrascht. Wann habt Ihr das letzte Mal im Telefonbuch geschmökert, oder wofür findet es bei Euch im Haushalt Verwendung?

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