Archiv

Archiv

Blog.Telekom

Katja Kunicke

1 Kommentar

60 Jahre Telefonseelsorge: Der Notruf für die Seele

Ein Notdienst feiert Jubiläum. Wir schauen uns die Geschichte der Telefonseelsorge an und erklären die Technik hinter dem Dienst.

"Mein Freund"

„Mein Freund“ – Foto: Guy Goetzinger aus dem Fotowettbewerb 20 Jahre TelefonSeelsorge im Internet © Guy Goetzinger

 An Deutschlands wichtigster Hotline werden keine Produkte verkauft, keine technischen Geräte erklärt, keine Tarife gebucht und keine Beschwerden bearbeitet. An diesem Telefon gibt es „nur“ ein einziges Angebot. Doch es ist das bedeutendste Angebot, das man sich nur vorstellen kann. Denn es kann Leben retten.

Seit 60 Jahren hilft die TelefonSeelsorge Menschen in Not. Wer verzweifelt ist, wer nicht weiter weiß, wer gar an Suizid denkt, findet hier Hilfe und ein offenes Ohr – deutschlandweit, kostenlos, und 365 Tage im Jahr rund um die Uhr. Verzweiflung kennt keine Uhrzeiten.

Dieses Jahr feiert die TelefonSeelsorge Jubiläum. In Deutschland hat sie 1956 der Berliner Arzt und Pfarrer Klaus Thomas als „Ärztliche Lebensmüdenbetreuung“ gegründet. Seither haben die ehrenamtlichen Helfer rund 45 Millionen Menschen beraten – allein 2015 waren es 1,8 Millionen. Und die Telekom feiert mit: Sie stellt seit 1997 die technische Infrastruktur der Organisation und trägt sämtliche Gesprächsgebühren. Damit macht sie möglich, dass es bei der TelefonSeelsorge in Notsituationen stets heißt: Ein Anschluss unter dieser Nummer.

60-Jahre-Telefonseelsorge

Das sind die wichtigsten Informationen und Fakten rund um die Unterstützung der Telefon Seelsorge:

Wer steht hinter der TelefonSeelsorge?

Die Organisation wird von den beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland getragen, und ist damit quasi das „Call Center Gottes“. Doch Anrufer müssen weder evangelisch noch katholisch sein. Die TelefonSeelsorge ist offen für jeden Menschen, der Hilfe sucht – egal ob Christ, ob Anhänger einer anderen Religion, oder gar nicht gläubig.

Einer der wichtigsten Grundsätze für die Beratung lautet: Auf die Anrufenden wird weder konfessioneller noch politischer oder ideologischer Druck ausgeübt. Rund 8.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 105 regionalen Seelsorgestellen sitzen an den Telefonen. Bevor sie beim „Notruf für die Seele“ arbeiten dürfen, werden sie sorgfältig geschult. Die Ausbildung dauert mindestens ein Jahr.

Wie ist die TelefonSeelsorge zu erreichen?

Es gibt zwei bundesweit einheitliche Nummern, die 0800-1110111 und die 0800-1110222, die aus allen Netzen verfügbar sind – natürlich auch mobil. Die beiden Nummern waren 1997 übrigens die ersten deutschen 0800-Freecall-Angebote. Ursprünglich waren die Rufnummern nach Konfessionen aufgeteilt (evangelisch oder katholisch), doch heute existiert diese Trennung praktisch nicht mehr. Dazu kommt mit der 116123 eine weitere Nummer, die europaweit für persönliche Krisensituationen verfügbar ist.

Wer sich schwer damit tut, seine Probleme telefonisch zu besprechen, findet auf der Website telefonseelsorge.de auch Hilfe per Chat oder Web-Mail. Am Rechner antworten dann die gleichen geschulten Berater, die auch telefonisch ihre Hilfe anbieten.

Wo sitzen die Gesprächspartner?

Möglichst in der Nähe der Anrufer. Denn obwohl die Telefonnummern bundesweit gelten, ist die TelefonSeelsorge regional strukturiert. Das hat mehrere Gründe. Wer sich in München in einer existenziellen Notlage befindet, wäre zwar sicherlich auch für einen Ansprechpartner aus Hamburg oder für ein offenes Ohr in Berlin dankbar. Doch eines der wichtigsten Ziele der TelefonSeelsorge ist es, über das Gespräch hinaus Beratungsmöglichkeiten und Hilfe vor Ort anzubieten.

An wen kann sich der Anrufer in seiner Stadt, in seiner Region wenden, um seine Probleme nach und nach wieder in den Griff zu bekommen? Hier kann die TelefonSeelsorge am effektivsten helfen, wenn ihre Berater die Hilfsangebote vor Ort genau kennen. Zudem ist es für solche sehr persönlichen und oft intimen Gespräche unerlässlich, dass sich eine gewisse Vertrauensbasis zwischen Anrufer und Berater aufbaut. Hier hilft sprachliche Nähe, vielleicht sogar ein gemeinsamer Dialekt, emotional zusammenzufinden, Hemmungen abzubauen. Wenn ein Münchner mit einem Münchner spricht, der ihn mit „Grüß Gott“ begrüßt, öffnet er sich meist leichter als bei einem Gespräch mit einem Kölner oder einem Sachsen. Zudem rufen viele ältere Menschen an, die nur Dialekt sprechen und Hochdeutsch im Alltag kaum gewöhnt sind.

Wie sorgt die Telekom für diese regionale Nähe?

Hier kommt eine Technik namens „Automatic Call Distribution“ (ACD, „Automatische Anrufverteilung“) ins Spiel, die Anrufende trotz bundesweit einheitlicher Nummer zu einer Stelle der TelefonSeelsorge vermittelt, die sich möglichst in seiner Nähe befindet. Bei Anrufen aus dem Festnetz ist das relativ einfach, weil die Ortskennziffer bekannt ist. Bei Gesprächen aus dem Mobilfunknetz fällt die Zuordnung schwerer, weil Vorwahlen wie 0160 oder 0170 nichts über den Standort des Anrufers besagen.

Trotzdem ist es auch hier – innerhalb der strengen Vorgaben der Telekom und der TelefonSeelsorge für den Datenschutz – möglich, den Standort des Anrufers relativ grob festzustellen und ihn zu einer passenden Seelsorgestelle zu vermitteln. Das klappt übrigens mittlerweile auch bei Anrufen, die nicht aus dem Telekom-Netz stammen. Bei Anrufen über das Mobilfunknetz ist die regionale Streuung zwar deutlich höher. Doch wer aus Frankfurt anruft, findet in aller Regel zumindest im Raum Hessen Hilfe.

Ist die TelefonSeelsorge anonym?

Absolut! Datenschutz und hundertprozentige Anonymität sind zwei der wichtigsten Grundregeln. Wer hier anruft, muss keine Angst haben, dass er „enttarnt“ wird, dass der Berater seine Identität erfährt, oder dass die eigene Familie den Anruf auf der Telefonrechnung findet. Dafür hat die Telekom zahlreiche Vorkehrungen getroffen. Auch wenn der Anrufer seine Telefonnummer nicht unterdrückt, sehen die Mitarbeiter in den Seelsorgestellen die Nummer nicht. Die Rufnummernanzeige (CLIP) ist deaktiviert, und lässt sich von den Beratern auch nicht einschalten. Im absoluten Krisenfall, wenn akut ein Suizid droht, können die Seelsorger daher auch keine Polizei, keine Feuerwehr vorbeischicken – außer, der Anrufer gibt im Gespräch aus eigenen Stücken seinen Namen, seine Adresse oder Telefonnummer preis, was durchaus vorkommen kann.

Der Anruf bei der TelefonSeelsorge taucht zudem nicht im Einzelverbindungsnachweis auf, was mittlerweile auch gesetzlich für alle Provider so festgelegt ist. Zudem unterliegen die Berater der Schweigepflicht. Und die Gespräche dürfen weder aufgezeichnet noch in den Seelsorgestellen von Dritten mitgehört werden.

Wie wichtig ist die Technik der Telekom für die TelefonSeelsorge?

Nicht nur bei der regionalen Zuordnung der Anrufe und bei der Übernahme der Kosten spielt die Telekom eine wichtige Rolle für die Krisenberatung. Zudem helfen moderne IP-Anschlüsse, möglichst mit der exzellenten Sprachqualität von HD Voice, die Verständlichkeit der Anrufe immer weiter zu verbessern. Denn bei den sensiblen Gesprächen ist es noch wichtiger als bei einer klassischen Hotline, Feinheiten und Untertöne genau zu verstehen, Missverständnisse zu vermeiden, und nicht dreimal nachzufragen zu müssen: „Was haben Sie für ein Problem, ich habe Sie nicht verstanden?“

Zudem stellt die Telekom die Funktion „CallGuard“ zur Verfügung. Sie ermöglicht es den Beratern, trotz der für sie nicht erkennbaren Nummer, die leider allgegenwärtigen Scherz- und Testanrufer für einen gewissen Zeitraum zu blockieren. Wer mehrfach aus fragwürdigen Gründen bei der TelefonSeelsorge anruft, wird durch einen Prozess, der rein im Hintergrund läuft, automatisch auf eine Bandansage umgeleitet. Damit kann er die – oft genug lebenswichtigen – Leitungen nicht länger blockieren.

Zum Anhören - Radiobeitrag "60 Jahre Telefonseelsorge":

Hier kann man sich die Fakten und Historie zur TelefonSeelsorge auch noch einmal anhören.

Grafik: Die Technik hinter der Telefonseelsorge

Grafik zur TelefonSeelsorge

Download Gesamtgrafik

FAQ